Migrationskirchen als Teil evangelischer Vielfalt

Über 300 verschiedene neue Kirchen wurden bis heute in der Schweiz von christlichen Migrantinnen und Migranten aus Lateinamerika, Afrika und Asien gegründet. Der Kirchenbund SEK hat Ende Februar eine Studie über sie veröffentlicht. Die Autoren plädieren dafür, dass die alteingesessenen Reformierten mit den Migranten Kirche gestalten.

ps. Die Studie „"Neue Migrationskirchen in der Schweiz"“ versammelt auf 127 Seiten empirisches Material, theologische und sozialwissenschaftliche Überlegungen sowie Handlungsempfehlungen. Es geht den Autoren Simon Röthlisberger und Matthias Wüthrich darum, zur differenzierten Wahrnehmung dieses komplexen Phänomens beizutragen.

Die Studie gibt erstmals auf nationaler Ebene einen Überblick zu Organisationsform, Zahl und Mitgliedern der Migrationskirchen. Das Verhältnis zur Gesellschaft allgemein sowie zu den einheimischen Kirchen wird thematisiert. Und klar wird dabei: Die neue, fremde Vielgestalt von Kirche fordert das christliche Verständnis von Gemeinschaft heraus.

Miteinander, nicht nebeneinander
Für die Reformierten bestehe die Chance, sich mit der Migrationsbevölkerung zu befassen, schreiben die SEK-Autoren. „"Ziel dieses Prozesses kann deshalb nicht sein, gut funktionierende Migrationskirchen als absolute Parallelkirchen aufzubauen. Langfristig können sich die reformierten Landeskirchen nur dann weiterentwickeln, wenn sie ein Abbild der Gesellschaft sind und die Vielfalt in den eigenen Strukturen leben. Dies bedeutet, dass die Ressourcen von Eingewanderten und Migrationskirchen mehr als bisher anerkannt und in die Kirchen als Institution einbezogen werden“" (S. 61).

Nicht nur helfen -– auch lernen
Welche Chancen bietet eine gelingende Integration für die Vielfalt der protestantischen Kirchengemeinschaft in der Schweiz? Theologisch sensible Punkte wie Gottesdienstpraxis und Mission sowie das Bibel- und Amtsverständnis werden in die Überlegungen einbezogen.

Eröffnung des Zürcher Zentrums der Migrationskirchen, November 2008.

"Die Migrantinnen und Migranten sind als Christinnen und Christen traditionell gesagt ‚'Schwestern und Brüder'‘“, schreiben Röthlisberger und Wüthrich und halten fest: „"Das kirchliche Handeln an und mit Migrationskirchen ist nicht als diakonisches Handeln zu verstehen und nicht allein durch das Gebot der Nächstenliebe motiviert. Es geht ihnen gegenüber nicht um Barmherzigkeit -– es geht vielmehr um die Ausgestaltung des gemeinsam geglaubten Kircheseins"!“ (S. 75).

Zur Integration beitragen
Unter diesem Leitgedanken bietet die Studie konkrete Handlungsperspektiven. Im Vordergrund stehen die Förderung der Begegnung mit den Migrationskirchen, eine bessere thematische Vernetzung auf nationaler Ebene sowie die Stärkung der integrativen Funktion von Migrationskirchen für ihre Mitglieder und die Öffnung landeskirchlicher Strukturen sowohl für Migrationskirchen als auch für einzelne Migrantinnen und Migranten. Die Autoren verschweigen nicht, dass Freikirchen näher am Ball sind; die kirchliche Vernetzung der Migrationskirchen mit Freikirchen sei „"weit fortgeschrittener ist als mit den Mitgliedkirchen und dem SEK“" (S. 90).

"„Chancen für beide Seiten“"
Die Studie will die Begegnung der Landeskirchen mit den neuen Migrationskirchen fördern, da sie laut SEK-Präsident Thomas Wipf „"Chancen für beide Seiten bietet"“. Die Landeskirchen könnten den Migrationskirchen zu mehr institutioneller Beständigkeit verhelfen, während diese eine bereichernde Kraft und Vielfalt einbrächten. Wipf: „"Diese Kraft müssen wir gesellschaftlich und kirchlich nutzen".“

SEK-Materialien zu Migrationskirchen und Migration
Eröffnung des reformierten Zentrums für Migrationskirchen in Zürich
Identitätsfragen und Integrationsperspektiven von Migranten