Sechs Kandidaten für den Rat des SEK
Sechs Reformierte aus allen Landesteilen stehen am 8. November zur Wahl in den Rat des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds (SEK). Das LKF fragte sie im Vorfeld nach ihren Absichten und Prioritäten.
Als Mitglieder des SEK-Rats wurden in ihren Kantonalkirchen neu nominiert oder stellten sich wieder zur Wahl (im Bild oben von links): Peter Schmid (BL), Lini Sutter-Ambühl, Juristin und Bündner Kirchenpräsidentin (neu), Regula Kummer, Asylspezialistin und Thurgauer Kirchenrats-Vizepräsidentin (neu), Rita Famos, Pfarrerin und Zürcher Synodale (neu), Pfarrerin Kristin Rossier Buri (VD) und Daniel de Roche, Pfarrer und Freiburger Synodalratspräsident (neu). Sie stellten sich nach der Wahl mit dem im Juni gewählten Ratspräsidenten Gottfried Locher (MItte) dem Fotografen.
Die Kandidierenden haben auf fünf Fragen zu ihrer Motivation, zu den anstehenden Herausforderungen und dem föderalen Miteinander der Schweizer Reformierten geantwortet.
Was motiviert Sie zur Mitarbeit im SEK-Rat?
Rita Famos: Die Reformierte Kirche ist eine weltoffene, moderne Kirche und zugleich tief in ihrem Glauben, ihrer Tradition und Geschichte verwurzelt. Als solche ist sie eine wichtige Stimme in der modernen Gesellschaft. Damit diese Stimme vermehrt gehört wird, ist es wichtig, dass die Reformierten der Schweiz mit einheitlicher Stimme auftreten.
Es interessiert mich, an der Bündelung der reformierten Stimmen und Kräfte mitzuarbeiten, damit ein zentraler christlicher Auftrag, Licht der Welt zu sein, noch besser wahrgenommen werden kann.
Kristin Rossier Buri: Die Gewissheit, dass der SEK als Sprachrohr des schweizerischen Protestantismus in den kommenden Jahren eine wachsende Rolle in der Gesellschaft zu spielen und etwas beizutragen hat zu Themen wie Migration, Medizinethik, Zusammenleben der Religionen.
Peter Schmid: Die grösste Motivation beziehe ich aus der Zusammenarbeit mit interessanten Menschen, die in der Kirche über den eigenen Tellerrand hinausblicken und Mitverantwortung für das grosse Ganze tragen wollen. Unabhängig von Tageshoch und Tagestief habe ich meine Kirche und die darin vereinigten Menschen gern.
Regula Kummer: Im Laufe meiner Tätigkeit ist es mir immer wichtiger geworden, über den „Gartenzaun“ der eigenen Landeskirche hinauszublicken. Mein Interesse gilt der Mitgestaltung der Zukunft des SEK im Spannungsfeld der Interessen und (finanziellen) Möglichkeiten der Mitgliedkirchen sowie der künftigen Struktur und Aufgabenzuteilung, aber auch der Einbindung des SEK in die weltweite christliche Gemeinschaft.
Ich bin mir bewusst, dass die zukünftige Ausgestaltung des SEK ein schwieriger Prozess sein wird – und niemand vor Fehlern gefeit ist. Genauso wichtig ist mir, dass sich der SEK weiterhin mit Publikationen und Stellungnahmen zu gesellschaftlichen und theologischen Fragen vernehmen lässt und auch Gehör findet.
Lini Sutter: Das Präsidium in der Bündner Kirchenleitung hat meinen Einblick vertieft in das „Kirche sein, Kirche leben“ in Graubünden, in der Schweiz und durch die Teilnahme an der Gründung der „Weltgemeinschaft der Reformierten Kirchen“ in Grand Rapids weltweit. In der Bündner Kirche stehen wir mit einer Verwaltungsreorganisation vor dem Abschluss, begleiten die Verfassungstotalrevision in eine zweite Phase, in einen Partizipationsprozess.
Dies sind Erfahrungen, die ich in den SEK mitbringen kann, der sich ebenfalls mit einer Verfassungsrevision beschäftigt. Kommt dazu, dass ich als Juristin grosses Interesse an kirchenrechtlichen Fragen habe und mein juristisches Rüstzeug und mein strukturiertes Denken im Rat einsetzen möchte.
Daniel de Roche: Dass es eine neue Equipe ist. Dass ich meine Erfahrungen als kirchliches Exekutivmitglied und meine sonstigen politischen Erfahrungen einbringen kann.
Was sind die grössten Herausforderungen für den Kirchenbund?
Peter Schmid: Ich engagiere mich in besonderem Mass für das Projekt der Verfassungsreform des SEK; ich wünsche mir einen SEK "in guter Verfassung", der zukunftsfähig ist vor dem Hintergrund der Individualisierung und Pluralisierung. Die Erkennbarkeit der Reformierten ist mir in diesem Zusammenhang wichtig.
Rita Famos: Es wird eine grosse Herausforderung sein, die Kantonalkirchen zu überzeugen, dass ein gemeinsames Vorgehen in zentralen Fragen ein Gewinn für jede einzelne Kantonalkirche und Ortsgemeinde ist. Umfragen haben gezeigt, dass viele Kantonalkirchen am liebsten alles beim Alten belassen würden.
Es gibt verschiedene Themen, die wir Reformierten zentral angehen können: die Frage des Bekenntnisses, des gemeinsamen öffentlichen Auftrittes, der Aus- und Weiterbildung der Pfarrerinnen und Pfarrer, der Ökumene und des interreligiösen Dialogs sind nur ein paar Beispiele. Es ist eine grosse Herausforderung für den SEK, in diesen Themen eine schweizerische reformierte Position zu eruieren und diese überzeugend zu kommunizieren.
Daniel de Roche: Die Verfassungsrevision. Und allgemeiner, dass die reformierte Kirche in der Schweiz vermehrt sichtbar wird. Dass die reformierte Stimme der Bibelauslegung und von Jesus Christus als Gottes freie Zuwendung zum Menschen hörbar wird.
Lini Sutter: Eine Herausforderung wird sein, weiterhin die Präsenz der Reformierten in Gesellschaft und Politik aufrechtzuerhalten. Eine weitere Aufgabe ist, die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WRK) ins Bewusstsein unserer Kirchenmitglieder zu bringen, nämlich das Bewusstsein, dass es sie gibt, die globale reformierte Kirche.
ie grosse Herausforderung sehe ich in der Ausarbeitung einer SEK-Verfassung, die Gefässe und Strukturen schafft für die heutigen und zukünftigen Bedürfnisse der Kantonalkirchen und damit Identität ermöglicht.
Regula Kummer: In der Verfassungsrevision geht es um die Frage, welche Aufgaben der SEK sinnvollerweise übernehmen soll und kann und welche Aufgaben den Mitgliedkirchen zukommen. Diese Fragen müssen in einem engen Dialog mit den Mitgliedkirchen diskutiert werden.
Zudem soll sich der SEK zu zentralen Fragen in theologischen und gesellschaftlichen Bereichen weiterhin vernehmen lassen. Die Stellungnahmen und Publikationen des SEK bilden wertvolle Orientierungshilfen für meinungsbildende Prozesse, die ich auf keinen Fall missen möchte.
Kristin Rossier Buri: Die Zusammenarbeit und das Schaffen von Synergien zwischen dem SEK in Bern und seinen Mitgliedkirchen.
Sie kommen aus einer Kirche mit bestimmter Prägung. Was möchten Sie davon im SEK zum Tragen bringen?
Regula Kummer: In der Thurgauer Landeskirche mit sehr schlanker Verwaltung und kurzen Kommunikationswegen werden Anliegen von Kirchbürgerinnen und Kirchbürgern oft direkt an den Kirchenrat herangetragen. Dadurch sind und bleiben wir in engem Kontakt und wissen, wo "der Schuh drückt".
Kirchesein geschieht vor allem in den Kirchgemeinden, durch das Engagement von unzähligen freiwilligen, ehrenamtlichen und professionellen Mitarbeitenden. Zu wissen, wo deren Probleme und Bedürfnisse, aber auch positive Erfahrungen liegen, ist für eine Kirchenleitung zentral. Dieses Wissen möchte ich in den SEK einbringen, um seine Arbeit zu "erden".
Kristin Rossier Buri: Die Kirchen der Romandie haben ihre eigene, mehr von Calvin geprägte Theologie und insbesondere Ekklesiologie, die Wert auf ein partizipatorisches Miteinander-Kirche-Sein im Rahmen der Kantonalkirchen legt. Die Kirchen in der französischsprechenden Schweiz haben (leider) eine länger dauernde Erfahrung, trotz schrumpfenden Ressourcen mutig und innovativ ihren Auftrag zu erfüllen.
Lini Sutter: Die Bündner Kirche mit ihren vielfältigen ländlichen Gebieten, den städtischen und touristischen Zentren, mit ihrer Dreisprachigkeit ist ein kleines Abbild der Schweiz. Ich habe gelernt, auf die Traditionen vor Ort zu achten, die Vielfalt zu schätzen, trotzdem aber sorgfältig Veränderungen anzugehen, wo diese sich aufdrängen.
Die Arbeit im Kirchenpräsidium hat mir auch gezeigt, wie wichtig es ist, den Dialog mit der Regierung und der katholischen Kirche zu führen.
Peter Schmid: Nichts! Natürlich bin ich geprägt von meiner landeskirchlichen Erfahrung und bin wohl auch theologisch nicht ganz unbedarft. Ich wurde jedoch vor acht Jahren ausdrücklich als Erfahrungsträger aus andern relevanten Bereichen zur Mitarbeit angefragt.
Ich verfüge über langjährige Erfahrung auf strategischer Ebene, über Leitungserfahrung im obersten Kader von Grossorganisationen, über vielfältige Beziehungen zu Politik und Hochschulen.
Rita Famos: Die Zürcher Landeskirche hatte dank ihrer Grösse die Möglichkeit, verschiedene Fachstellen zu schaffen. Die Arbeit und Erkenntnisse dieser Fachstellen in den Diskurs einzubringen, finde ich wichtig.
Daniel de Roche: Die Zweisprachigkeit und das Leben in einer Minderheitssituation.
Wie kann die Gemeinschaft von Deutschschweizern und Romands im Kirchenbund kultiviert werden?
Daniel de Roche: Indem alle Gremien zweisprachig und wenn möglich mit der gleichen Anzahl von Französisch- und Deutschsprachigen besetzt sind.
Rita Famos: Indem wir neugierig aufeinander zugehen und die gegenseitigen Stärken der Kirchen über den Röstigraben hinweg erkennen und benennen.
Regula Kummer: Wichtig ist, dass im Rat des SEK beide Landesteile vertreten sind. So kann das Verständnis für die spezifischen Anliegen und Bedürfnisse wachsen. Es ist wie in der Diakonie: Aufeinander zugehen, füreinander da sein ist die Grundlage. Allerdings bilden die Deutschschweizer Kirchen und die Kirchen der Romandie untereinander keineswegs eine je homogene Gruppe!
Lini Sutter: Wir arbeiten im Kanton Graubünden mit drei Sprachen und Kulturen, mit Deutsch-, Italienisch- und Romanischsprachigen. Es genügt der Wille zur Gemeinschaft, der Respekt vor der Anderssprachigkeit und die Anerkennung anderer Traditionen. Die gemeinsame Erarbeitung von Visionen und Zielen fördert die Gemeinschaft und rückt die sprachlichen und kulturellen Unterschiede in den Hintergrund.
Peter Schmid: Nach Meiner Beurteilung leben die Menschen in den verschiedenen Sprachregionen der Schweiz mehr (friedlich) nebeneinander als miteinander, was keine geringe Leistung ist. Hilfreich ist genaues Hinhören und der behutsame Umgang mit den Unterschieden.
Kristin Rossier Buri: Einander als Kirchen besser kennen lernen, sich gegenseitig besuchen, miteinander zu gemeinsamen Problemen Lösungen entwickeln – Lösungen, die durchaus sprachregional differenziert sein dürfen.
Welche Aussagen des Buchs „Die Zukunft der Reformierten“ beschäftigen Sie? Was folgern Sie aus der Feststellung, dass die Kirchen zahlreiche säkulare Konkurrenten bekommen haben?
Kristin Rossier Buri: Es macht mich betroffen, dass die protestantischen Kirchen analog zur katholischen Kirche in Deutschland (Sinusmilieustudie) nur noch wenige "Lebensstilmilieus" ansprechen, vorab die traditionell konservativen Milieus und zum Beispiel zu den Jungen-Kreativen-Entscheidungsträgern nur noch wenig Zugang finden.
Die Kirchen müssen lernen, in einer allgemein verständlichen Sprache zu kommunizieren, was der Glaube an Gott und an Jesus Christus ganz konkret im Leben des Menschen verändert.
Lini Sutter: Die Empfehlung für den Kirchenbund, die reformierte Identität zu stärken und sie besser sichtbar zu machen, sind für mich wesentliche Knackpunkte. Sie werden in verschiedenen Kantonalkirchen unterschiedlich angegangen. Wie können wir als typisch Reformierte etwas mehr Verbindlichkeit und Gemeinschaft leben und erlebbar machen?
Dies ist möglich, wie viele Orte aufzeigen. Schweizweit benötigen wir das Wissenwollen von einander und die Vernetzung, damit Strategien zielgerichtet angewendet werden. Säkulare Konkurrenten bilden dann eine gesunde Konkurrenz, die Ansporn bietet für mehr Aufmerksamkeit für unsere einzelnen Mitglieder.
Daniel de Roche: Mich beschäftigt, dass man über die Zukunft nach eigener Aussage ohne theologischen und/oder biblischen Blick und Ausblick redet. Aus der Bemerkung der gewachsenen säkularen Konkurrenz folgere ich, dass wir uns in gewisser Weise wieder in der gleichen Situation wie Paulus und seine Gemeinden im Römischen Reich befinden.
Rita Famos: Die Studie von Jörg Stolz zählt vieles auf, womit die Reformierten den Herausforderungen der Zeit schon begegnen. Allgemein empfindet er es als grosse Schwäche, dass sie ihr Profil und ihre Lösungsansätze zu wenig professionell und konsequent kommunizieren. Wir sollen das Licht leuchten lassen vor der Welt; dazu ermutigt uns die Bergpredigt. Diese Herausforderung beschäftigt mich.
Konkurrenz empfinde ich grundsätzlich nicht als negativ. Konkurrenz zeigt einem die eigenen Defizite auf und regt an, seine eigene Position zu überdenken und sie im Dialog und in der Auseinandersetzung mit anderen zu profilieren. Christen und Christinnen lebten schon immer in einer vielseitigen und vielstimmigen Welt. Es zeichnet reformiertes Christsein aus, dass es sich in dieser Auseinandersetzung weiterentwickelt hat.
Peter Schmid: Die säkularen "Konkurrenten" sehe ich zunächst als hilfreiche Entlastung der Kirchen. Auch die evangelischen Kirchen müssen nicht alles und jedes tun und sämtliche denkbaren Bedürfnisse abdecken. Die damit verbundene Freiheit ist für mich ein Gewinn. Es tut den Kirchen gut, erkennen zu müssen, dass Andere auch etwas können und das durchaus oft mit Qualität. Vor diesem Hintergrund müssen jedoch auch die Reformierten Kirchen der Schweiz über das Lokale und Kommunale hinaus sichtbar und erkennbar bleiben, oder auch werden.
Regula Kummer: Ich glaube, dass die Kirche noch immer gute Möglichkeiten hat, die Menschen zu erreichen, auch in einer Zeit, in der manche Menschen denken, sie könnten mit der Religion wie mit einem Selbstbedienungsladen umgehen. Die Strategie des Aktionismus, d.h. möglichst viele und möglichst grosse Events anzubieten, wird langfristig ohne Erfolg bleiben. Vielmehr sind kleine Schritte wichtig. Dazu gehört, dass wir unseren Glauben glaubwürdig und verlässlich leben, alltäglich und sonntäglich – im Vertrauen auf Gott und mit seiner Hilfe – und zwar im Dialog und auf Augenhöhe mit unseren Mitmenschen.
Eine zentrale Rolle kommt den Kirchgemeinden zu. Hier geschieht die wichtige Beziehungsarbeit. Hier können wir aufeinander zugehen, füreinander da sein und glaubwürdig das leben, wovon wir reden. Menschen sind immer wieder auf der Suche nach Orientierung und Werten.
Auf dieser Suche Orientierungshilfen auf der Grundlage des christlichen Glaubens zu bieten – nicht überheblich, sondern im Wissen darum, dass wir alle immer wieder Suchende sind – und einander auf diesem Weg zu begleiten, das ist eine zentrale Aufgabe der Kirche. Erfüllt sie sie, hat sie auch eine nachhaltige Wirkung; davon bin ich fest überzeugt. Die Rolle des SEK liegt darin, mit fundierten Schriften Grundlagen für solche Orientierung anzubieten.