Der Kirchenbund an der Schwelle

Die Abgeordneten der Mitgliedkirchen des SEK haben am 8. November den Rat für die nächsten vier Jahre bestimmt. In einer Feier für die abtretenden Ratsmitglieder verdankten prominente Gäste, unter ihnen Wolfgang Huber, das Wirken von Ratspräsident Thomas Wipf in der Schweiz und Europa. Mit dem Rückblick auf die Legislatur fokussierten die Abgeordneten auf die Funktion des SEK im Schweizer Protestantismus, die in der Verfassungsrevision zur Debatte steht.

Vor der Verabschiedung des bisherigen Rats beschäftigten Wahlen, die Taufe und eidgenössische Politik die Abgeordnetenversammlung (AV). Thomas Wipf (im Bild oben rechts, mit Gottfried Locher und Daniel de Roche) begründete das Ja des Kirchenbundes zum Gegenvorschlag in der Ausschaffungsfrage. Bei grundsätzlichem Einverständnis mit dem HEKS, das beiden Vorlagen opponiere, gewichte der SEK die Aufgabe höher, ein Volks-Ja zur Initiative zu verhindern.

Ausschaffung: SEK für Gegenvorschlag
Ein Ja zum Gegenvorschlag des Parlaments sei der einzig aussichtsreiche Weg, sagte Wipf im Berner Rathaus. Der Gegenvorschlag schreibe Integration als Staatsziel in der Bundesverfassung fest und fordere für Ausschaffungen, dass das Völkerrecht eingehalten werde. Wo Menschen willkürlich ungleich behandelt würden, erhebe der SEK Einspruch, sagte Wipf. „"Aber nicht jede Ungleichbehandlung verletzt die Menschenrechte".“ Wie hier bemühe sich der SEK bei seinen Positionierungen auch sonst um eine „"möglichst breite Abstimmung in den Kirchen"“.

Rat und AV-Präsidium neu bestellt
Die AV begann mit Wahlen. Die von den kantonalen Kirchen vorgeschlagenen Kandidaten für den Rat des Kirchenbundes für die Amtsdauer 2011-14 waren unbestritten und wurden mit fast allen Stimmen gewählt. Neu gehören dem Rat drei (Vize)präsidenten mittlerer und kleiner Kantonalkirchen an: Lini Sutter-Ambühl (GR), Regula Kummer (TG) und Daniel de Roche (FR). Von den Bisherigen wurden die Waadtländer Pfarrerin Kristin Rossier Buri und Peter Schmid (BL) wieder gewählt.

Die Zürcher Kirche, aus der Thomas Wipf stammt, ist neu durch die Pfarrerin Rita Famos vertreten. (Erwartungen der neuen Ratsmitglieder). Der Ratspräsident Gottfried Locher (BE) war schon im Juni gewählt worden. Der Rat ist das Exekutivorgan des SEK, der sich in der Regel einmal im Monat zu einer zweitägigen Sitzung trifft.

Der SEK-Rat im November 2010. Von links: Peter Schmid, Lini Sutter, Regula Kummer, Gottfried Locher, Rita Famos, Daniel de Roche und Kristin Rossier Buri.

Nachher bestellten die Abgeordneten auch die Leitung ihrer Versammlung neu. Theres Meierhofer-Lauffer (OW), Verena Enzler (SO) und Jean-Marc Schmid (BE) stellen das Präsidium 2011-2012. In einem Gottesdienst am Dienstag Vormittag in der Französischen Kirche wurde der Rat in sein Amt eingesetzt.

Unterschiedliche Akzente in Taufverständnis und -praxis
Die reformierten Kirchen der Schweiz handhaben die Taufe unterschiedlich. Damit diese Unterschiede sich nicht weiter vertiefen, hat der Kirchenbund nach einem Studienpapier nun Vorschläge für Taufartikel in kantonalen Kirchenordnungen vorgelegt. Dass „"die kirchliche Mitgliedschaft auf Grund der Taufe oder im Hinblick auf sie besteht“", wurde als unbefriedigend offen kritisiert. Doch der Realität sei anders nicht beizukommen, sagte Urs Zimmermann im Namen des Rats. In den Artikeln findet sich der Satz: „"Die Taufe ruft in die Nachfolge Jesu Christi, die den christlichen Lebensweg des Täuflings formt, fördert und prägt".“ Die Vorschläge wurden nach Diskussion zur Kenntnis genommen.

Einige Ziele erreicht
Deutlicher um das Selbstverständnis des Kirchenbunds ging es in der Debatte um die Rechenschaft, die der Rat des SEK über das Erreichen der Legislaturziele 2007-2010 abgelegt hat. Positiv verbucht der Rat den Bericht zur Verfassungsrevision, die internationale Aussstrahlung des Calvin-Jubiläums, die Arbeiten zu Ordination und Taufe, sozial- und wirtschaftsethische Positionsbezüge (ganz neu „"Gerechtes Haushalten und faires Spiel"“, zu den jüngsten Finanzkrisen) und verstärkte Zusammenarbeit mit den kantonalen Kirchen. Der Sprecher der GPK befand, der SEK habe sich zu viele Ziele gesteckt; der Erfolg sei kaum auszuweisen. Mehrere Votanten forderten wesentlichere Ziele oder eine präzisere Evaluation.

Das schwergewichtige Traktandum Verfassungsrevision, mit dem die künftige Gestalt des Kirchenbunds zur Debatte steht, wurde aus Zeitmangel auf die AV im Juni 2011 oder eine ausserordentliche Versammlung verschoben. (Alle Beschlüsse der AV.)

Miteinander Kirche
Am Nachmittag führte AV-Präsident Didier Halter durch die Feier zur Verabschiedung des bisherigen Rates. Er dankte den ausscheidenden Ratsmitgliedern mit gediegenen, persönlichen Worten für ihr Wirken. Eingangs blickte Thomas Wipf auf seine zwölfjährige Amtszeit zurück. Das Bewusstsein, miteinander reformierte und evangelische Kirche in der Schweiz zu sein, sei gewachsen, sagte der Ratspräsident, dem kürzlich die Universitäten Münster und Debrecen Ehrendoktortitel verliehen haben, in seiner letzten Ansprache an die Abgeordneten. Das Zusammenwachsen der Schweizer Reformierten habe der Kirchenbund mit Papieren zur Taufe, Abendmahl und Ordination zu fördern versucht.

Thomas Wipf zieht die Bilanz von 12 Jahren.

Der SEK und die Schweizer Kirchen
Dann schritt Thomas Wipf (Bild) die Arbeits- und Beziehungsfelder des SEK ab, indem er die Gäste aus Kirchen und benachbarten Organisationen begrüsste. Er erwähnte den Beitrag der Methodistenkirche, die als einzige Freikirche dem SEK angehört, und die Gespräche mit den Mennoniten. Mit den Freikirchen könnte theologisch mehr gearbeitet werden, sagte der Ratspräsident mit Blick auf intensivere Kontakte zwischen dem Weltkirchenrat und der Weltweiten Evangelischen Allianz.

Weiter begrüsste Wipf die Vertreter der Katholiken, mit denen der SEK seit dem „"Wort der Kirchen"“ 2001 kaum öffentlichkeitswirksame Schritte ging. Er konstatierte beim Kirchenverständnis „"bleibende Differenzen"“ und sagte, es gehe darum, „"die durch Jesus Christus schon bestehende Einheit weiter sichtbar zu machen -– aber in gegenseitiger Respektierung und immer grösserer Wertschätzung des je andern Kirchenverständnisses".“

Impulse für den europäischen Protestantismus
In der Folge weitete Thomas Wipf den Blick auf den europäischen Protestantismus, der mit dem früheren EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber, dem lutherischen Bischof von Österreich Michael Bünker und dem leitenden Bischof der ungarischen Reformierten Gustav Bölcskei prominent vertreten war. Als reformiertes Selbstverständnis benannte Wipf, dass zur persönlichen Glaubensverankerung die Weltverantwortung gehöre. Die Kirchen seien „"Mitverantwortliche in der Gestaltung einer humanen und gerechten Gesellschaft"“.

Vom Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund brachte Herbert Winter, der Thomas Wipf als Präsident des Rats der Religionen ablöst, ein Grusswort. Er dankte ihm fürs Verständnis für jüdische Positionen. Bischof Norbert Brunner, Vorsitzender der Bischofskonferenz, äusserte sich zurückhaltend zur Ökumene.

Michael Bünker und Wolfgang Huber würdigten Wipfs Wirken für den europäischen Protestantismus als Vorsitzender der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE). Huber lobte Wipfs kraftvolles Engagement für eine ökumenische Vision des Protestantismus ("„versöhnte Verschiedenheit“").

Im Blick auf das Calvin-Jahr 2009 äusserte er, die Schweizer Reformation sei als gesamteuropäisches Geschehen zu würdigen. Es gelte nach "„reformatorischer Verantwortung in weltweiter Perspektive"“ zu fragen. Dabei sei Thomas Wipf ihm im Bemühen, Menschen zum Gespräch zusammenzuführen, ein „"Vorbild in geschwisterlicher Grosszügigkeit“" geworden.