Jesus bezeugen mit Respekt für Andersgläubige
In der Mission reiben sich religiöse Welten. Rücksichtnahme beugt hitzigen Konflikten vor. Dialog mit Andersgläubigen und Proklamation des Evangeliums gehören zusammen. Vertreter des Ökumenischen Rats der Kirchen, des Vatikan und der Weltweiten Evangelischen Allianz haben miteinander einen Verhaltenskodex für respektvolles christliches Zeugnis erarbeitet.
Am 28. Juni wurde das Dokument Das christliche Zeugnis in einer multireligiösen Welt: Empfehlungen für einen Verhaltenskodex in Genf vorgestellt. Es ist das bemerkenswerte Ergebnis eines fünfjährigen Prozesses, an dem das gesamte Spektrum der Konfessionen vertreten war. Fachleute des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) für interreligiösen Dialog und Vertreter des Päpstlichen Rats für Interreligiösen Dialog setzten sich erstmals zusammen mit der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA), dem repräsentativen Dachverband missionarisch aktiver evangelischer Christen.
Eingangs ist vom "Vorrecht und der Freude" der Christen die Rede, "Rechenschaft über die Hoffnung abzulegen, die in ihnen ist, und dies mit Sanftmut und Respekt zu tun. Jesus Christus ist der Zeuge schlechthin. Christliches Zeugnis bedeutet immer, Anteil an seinem Zeugnis zu haben, das sich in der Verkündigung des Reiches Gottes, im Dienst am Nächsten und in völliger Selbsthingabe äussert, selbst wenn diese zum Kreuz führen".
Auch Taten reden
"Es darf keine christliche Mission ohne christliche Ethik geben", sagte WEA-Direktor Geoff Tunnicliffe bei der Vorstellung des Dokuments. Seine Grundsätze bildeten einen Ethikkodex für alle Christen, der noch nie so deutlich ausgesprochen worden sei. "Christliches Zeugnis erfordert christliches Verhalten", erklärte Olav Fyske Tveit, ÖRK-Generalsekretär. "Die christliche Botschaft müssen wir trotz unserer Trennungen ohne alle Kompromisse verkünden", unterstrich der Vatikan-Vertreter Kardinal Jean-Louis Tauran, "wir dürfen sie aber niemals jemandem aufdrängen" (im Bild von links: Kardinal Tauran, Pfr. Tveit, Geoff Tunnicliffe).
"Equal opportunity message"
Im Gespräch mit dem Landeskirchen-Forum zeigte sich Geoff Tunnicliffe sehr erfreut über das Papier. Es habe nicht einengenden, sondern ermächtigenden Charakter - gerade in westlichen Ländern, wo der Glaube ins Private abgedrängt werde und es Versuche gebe, Evangelikale aus der Öffentlichkeit auszusperren. Das Evangelium ist laut Tunnicliffe eine "equal opportunity message", eine Botschaft, die alle hören sollen. (Das ganze Interview mit Geoff Tunnicliffe.)
Ohne Mission keine Kirche
Das Dokument bekräftigt im Grundlagenteil, dass "Mission zutiefst zum Wesen der Kirche gehört". Alles, was Christen tun und sagen, um Gottes Wort und die Rettung durch Jesus anderen Menschen zu vermitteln, soll "in uneingeschränktem Respekt vor und Liebe zu allen Menschen" geschehen. Auf diesem Grund stehen zwölf Prinzipien und sechs Empfehlungen für christliche Mission. Sie sind im Blick auf die verschiedenen Kulturen allgemein gehalten und doch konkret, teils pointiert formuliert.
Mission mit Dialog verbinden
Einerseits hält das Papier unmissverständlich fest, dass Religionsfreiheit das Recht beinhaltet, "seine Religion öffentlich zu bekennen, auszuüben, zu verbreiten und zu wechseln". Anderseits sollen Christinnen und Christen sich sozial engagieren. Sie sind gehalten, "mit allen Menschen in gegenseitigem Respekt zusammenzuarbeiten und mit ihnen gemeinsam Gerechtigkeit, Frieden und Gemeinwohl voranzutreiben. Interreligiöse Zusammenarbeit ist eine wesentliche Dimension einer solchen Verpflichtung".
Freiraum geben
...
Das Dokument spiegelt die Erfahrungen, welche missionarische Christen in den Konflikten vergangener Jahrhunderte gemacht haben, aber auch aktuelle Streitfelder. Auf Bekehrung und Religionswechsel sollen missionarisch eifrige Christen nicht drängen, da "der Wechsel der Religion ein entscheidender Schritt ist, der von einem ausreichendem zeitlichen Freiraum begleitet sein muss, um angemessen darüber nachzudenken und sich darauf vorzubereiten zu können. Dieser Prozess muss in völliger persönlicher Freiheit erfolgen".
...und zuhören
Grundlegend ist der Respekt vor anderen Glaubensformen und Religionen: Christen "müssen zuhören, um den Glauben und die Glaubenspraxis anderer kennen zu lernen und zu verstehen, und sie werden dazu ermutigt, das anzuerkennen und wertzuschätzen, was darin gut und wahr ist".