Mutig auf Transformation hinwirken

Christen sollen in allen Lebensbereichen auf Versöhnung und Verwandlung hinwirken. Geoff Tunnicliffe von der Weltweiten Evangelischen Allianz schilderte am SEA-Leiterforum in Männedorf Beispiele für wirksames gesellschaftliches Engagement. Die Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher blickte auf die arabischen Aufstände zurück und schlug den Bogen zur Nachbarschaft mit Muslimen.

In der Vielfalt der Meinungen und Überzeugungen bringen Christen die Wahrheit zum Ausdruck, die sie in Jesus Christus finden. "„Als seine Jünger sind wir eingeladen, Menschen der Wahrheit zu sein"“, sagte Dr. Geoff Tunnicliffe, Direktor der Weltweiten Evangelischen Allianz WEA, am 6. Dezember am Leiterforum der Schweizer Evangelischen Allianz SEA in Männedorf bei Zürich.

Toleranz und Wahrheit
Der Pluralismus der westlichen Gesellschaft fordert Toleranz gegenüber anderen Meinungen. "„Man sieht genau hin, wie wir die Botschaft von Christus vermitteln".“ Evangelikalen werde da und dort vorgeworfen, sie lockten oder drängten Menschen, Christen zu werden. Die Empfehlungen für einen Verhaltenskodex in der Mission, im Juni 2011 von Vertretern des Vatikans, des Weltkirchenrats und der WEA gemeinsam vorgelegt, sind für Tunnicliffe ein Meilenstein.

Abschied von der Gier
Die Wahrheit, die in Christus liegt, ist auch relevant für die Wirtschaft. Der Direktor der WEA betonte in seinem Vortrag in Männedorf, es gebe keinen Bereich, in dem das Evangelium nicht verkündigt werden solle. Er berichtete von Geschäftsleuten, die ihr Kapital nach christlichen Grundsätzen einsetzen. Ein Filipino habe 70 Motels erworben, die der Prostitution dienten, und sie zu familienfreundlichen Betrieben umgewandelt.

Drei Brüder im Nordwesten der USA hätten ihr Millionenvermögen so eingesetzt, dass nun die grösste Supermarktkette Walmart Produkte von Frauen aus der Dritten Welt verkaufe. In den Herausforderungen der aktuellen Krise – Tunnicliffe war in New York mit den Occupy-Leuten konfrontiert – sollten Schweizer Christen angesichts ihres Finanzplatzes Antworten suchen helfen.

Globale Vernetzung der Medien
Wer die christliche Botschaft glaubwürdig weitergeben will, muss die Wirkung globaler Medien einbeziehen. Geoff Tunnicliff versuchte Terry Jones in Florida daran zu hindern, den Koran zu verbrennen. Er erzählte, er habe ihn angesichts alarmierter Christen in islamischen Ländern gefragt, ob er mit ihm die Witwe eines Pastors besuchen würde, der bei Vergeltungsaktionen islamischer Extremisten umkäme.

Der späteren Verbrennung (Jones hatte seine Kirche in einen ‚'Gerichtssaal‘' umfunktioniert) folgte der Sturm auf ein Gelände in Afghanistan; 21 Helfer internationaler Organisationen wurden dabei getötet. Der WEA-Direktor forderte die Anwesenden auf zu überlegen, wie Christen die Wahrheit von Jesus in die neuen Medien einbringen. Zu Verantwortlichen auch der etablierten Medien müssten Beziehungen aufgebaut werden.

Auf Transformation hinwirken: Geoff Tunnicliffe in Männedorf

Bessere Filme
Als weiteren Bereich des Engagements nannte Tunnicliffe die Welt der Kunst. Er habe Walden Media bei der Produktion von Narnia-Filmen beraten können. Die Produktionsfirma habe in vielen Teilen der Welt mit Kirchen zusammengearbeitet. Der dritte Film sei in China wochenlang der bestbesuchte ausländische Streifen gewesen. Die WEA will im säkularen Filmbusiness tätige Christen international vernetzen.

Regimes unter die Lupe nehmen
Abschliessend kam der Leiter der Weltweiten Evangelischen Allianz auf die Politik zu sprechen (Stop Armut 2015, Bewahrung der Schöpfung, Religionsfreiheit). Die WEA kann bei der Prüfung jedes Landes durch den UN-Menschenrechtsrat in Genf mit Berichten und Zeugen Einfluss nehmen. „"Wir als Evangelicals müssen an vorderster Front für Versöhnung wirken"“, sagte ein entschlossener Tunnicliffe in Männedorf.

"Welt wird nicht religionslos"“
Neben dem WEA-Direktor sprach am Leiterforum in Männedorf auch die deutsche Islamwissenschaftlerin Dr. Christine Schirrmacher. Sie kontrastierte die aktuelle Lage mit 1970, als mit der Modernisierung eine Abnahme von Religion erwartet wurde: "„Heute glaubt niemand mehr, dass die Welt religionslos wird"“. Als ‚'global players'‘ stünden Christentum und Islam in einem ideengeschichtlichen Wettbewerb. Die Zahl der Muslime nehme vor allem durch Geburten zu, die der Christen durch Überzeugungsarbeit.

Der Westen -– kein Vorbild
Den Sieg der ägyptischen Islamisten in den Parlamentswahlen kommentierte Schirrmacher mit dem Hinweis, dass das Land am Nil keine Tradition der Demokratie hat. Man müsse genau hinsehen, wenn die Islamisten von den Menschenrechten sprechen; die massgebende Kairoer Erklärung von 1990 macht die Rechte von der Scharia abhängig (Art. 24 und 25).

Der Westen sei „"moralisch kein Vorbild für die islamische Welt"“, sagte Schirrmacher, die mit einem Team das Institut für Islamfragen der Evangelischen Allianz in Deutschland, der Schweiz und Österreichführt. Traditionsbewusste und religiöse Ägypter lehnten zahlreiche Folgen der individuellen Freiheit in westlicher Gesellschaften ab (Religionslosigkeit, Zerfall von Familien, Drogensucht, Betagte ins Altersheim gegeben).

Unterschiede im Menschenbild
Die Wissenschaftlerin stellte Unterschiede zwischen dem christlichen (abendländischen) und islamischen Menschenbild heraus: Der Islam sieht den Menschen zwar als schwach, aber fähig zum Guten, wenn er die Gebote hält. Wenn die Gemeinschaft die Scharia, das islamische Gesetz befolgt, sind Friede und Wohlstand zu erwarten.

„"Immer fehl am Platz"“
Die Frage der Identität beschäftige auch Muslime in Europa. Der Kontinent werde weiter unter grossem Zuwanderungsdruck stehen. Die Nachkommen der Migranten wollten nicht mehr zurück, doch gälten sie hier als Fremde. „"Keine der beiden Welten will sie wirklich haben. Sie sind immer fehl am Platz".“ Dies trage zu einer "„dramatischen Desorientierung in der Psyche vieler junger Leute"“ bei. Sie schafften die Integration (Bildung!) ohne Hilfe und Betreuung nicht.

Offen für Kontakte
Vor diesem Hintergrund plädierte Schirrmacher für Beziehungen zu Muslimen in der Nachbarschaft. „"Viele sind offen für Begegnungen. Ihre tägliche Erfahrung, dass sie nicht wirklich ankommen, lässt sie nach Freunden fragen".“ Laut Studien neigen manche Muslime zu radikalen Meinungen, wenn sie unbehaust sind. Angst vor Muslimen sei manchmal ein bequemer Vorwand, um ihnen nicht zu begegnen, äusserte die Islamwissenschaftlerin. Wer jedoch den Kontakt wage, könne auch das medial vermittelte Bild einer haltlosen europäischen Gesellschaft korrigieren.