Reise durch den Synodenherbst
Diakone besser stellen, Gemeinden zusammenlegen, Erwachsenenbildung optimieren, AKW abschalten, das Reformationsjubiläum vorbereiten...
: Auch ein sehr lückenhaftes Resumé der Herbst-Synoden der reformierten Landeskirchen ergibt einen bunten Themen-Strauss.
Die Synoden blicken auf 50 Jahre ‹Brot für alle› zurück. Mit Beschlüssen und dem Budget setzen die Legislativen Akzente, da und dort unter spürbarem Spardruck. Und manchmal reden sie gar über das, was reformierte Kirche im Kern ausmacht.
BE-JU-SO
Das Parlament des Synodalverbands setzt einen atompolitischen Akzent: Sie appelliert nach kontroverser Debatte an die Behörden, den Betrieb des Reaktors Mühleberg raschmöglichst einzustellen. Ab 2014 rechnet man mit roten Zahlen. Doch fürs nächste Jahr wird den Kirchgemeinden ein Abgaberabatt von zwei Prozent zugestanden.
Die Synode unterstützt die französische Kirchensendung Teléglise des Regionalfernsehens Telebielingue weiterhin mit 50'000 Franken. Regionale Medien gewännen an Bedeutung, weil die nationalen Sender die kirchlichen Bedürfnisse nicht genügend abdecken könnten, heisst es. Innert eines Jahres muss die Kirchenleitung eine Lokalmedienstrategie vorlegen. Die Kirchenfenster in den drei Lokalradios BeO, Neo2 und Radio 32 seien inhaltlich und finanziell angemessen zu unterstützen.
Der Lehrverbund start@work, den die Kirche zusammen mit Heks betreibt, wird weitergeführt. Er soll in weiteren Berufen Lehrstellen für schulisch limitierte Jugendliche schaffen. Mehrere Kirchgemeinden bieten derartige Lehrverhältnisse an, um der Jugendarbeitslosigkeit zu wehren.
TG
Die Kirchensynode wählt die Versicherungsfachfrau Ruth Pfister, Mutter dreier schulpflichtiger Kinder, in den Kirchenrat. Im Bereich Kind Jugend, den sie übernimmt, sowie für den Internetauftritt und eine Teilzeitstelle in Palliative Care werden je 10-15 zusätzliche Stellenprozente gesprochen. Die Synode streicht die 5'000 Franken, die der Kirchenrat dem Bund evangelischer Jungscharen der Schweiz BESJ erstmals zukommen lassen will, wegen theologisch fragwürdiger Aussagen auf der BESJ-Website - dies obwohl Synodale seine gute Kinder- und Jugendarbeit und die Kursangebote loben.
SG
Die Kirche will den Erlös aus dem Verkauf des Schlosses Wartensee für innovative und regionale Projekte einsetzen - etwa im Bereich populäre Musik, Familienkirche, Jugend oder neue Gottesdienstformen. Der Vorschlag des Kirchenrats für den Einsatz der Summe - man hofft auf 10 Millionen Franken - wird nicht bestritten. Allerdings ist das Tagungs- und Begegnungszentrum der Kirche noch nicht verkauft. Die Saxo-Bank hat nach Bestrebungen von Einwohnern am Rorschacherberg, eine Umzonung zu verhindern, ihr Kaufangebot zurückgezogen. Die Synode nimmt das neue Reglement für die sozialen und diakonischen Dienste in erster Lesung durch. Es trägt der wachsenden Vielfalt der Tätigkeiten Rechnung. Sie verabschiedet Kirchenrätin Elisabeth Frick Tanner, die seit 1999 dem Ressort Erwachsenenbildung vorstand.
AG
Die Kirche fördert die Popularmusik in den Kirchgemeinden. Die Gemeinden können Stellen für Personen schaffen, die die Gottesdienstkultur mit moderner Musik bereichern. Die Landeskirche übernimmt für höchstens drei Jahre die Lohnkosten von maximal 40'000 Franken pro Stelle, die sich möglichst mehrere Gemeinden teilen. Die Synode stimmt dem Vorhaben des Kirchenrates ohne Abstriche zu und ermässigt die Qualifikation für die Stellen leicht. Nach Ablauf der dreijährigen Versuchsphase sollen Gemeinden über eine allfällige Weiterführung der Stelle in eigener Verantwortung entscheiden. Die Landeskirche lässt sich das Pilotprojekt nach St. Galler Vorbild insgesamt 400'000 Franken kosten.
Die Synode gibt dem Kirchenrat grünes Licht für weitere Verhandlungen mit drei Partnern für den künftigen Betrieb des Tagungshauses Rügel in Seon "in geteilter Verantwortung". Der Rügel soll "als Tagungshaus, aber ausgerichtet auf einen Themenschwerpunkt, für den die Partnerorganisation zuständig ist, geführt werden.
ZH
Die Zürcher Landeskirche muss künftig für die Nutzung des Rathauses durch Synode und Kirchenrat Miete bezahlen. Die Synode schluckt den vom Kanton vorgelegten Vertrag mit hörbarem Widerwillen. Willi Honegger, Präsident der Evangelisch-kirchlichen Fraktion, konstatiert den Bruch der jahrhundertealten Partnerschaft. Zu reden gibt die Streichung des bereits auf 30'000 Franken halbierten Beitrags ans Blaue Kreuz - da es "die sozialdiakonische Pflicht der Kirche sei, sich den Folgen des Alkoholismus anzunehmen und sich für Prävention einzusetzen". Für Social Media wird eine neue Teilzeitstelle bewilligt.
Die Landeskirche übernimmt den Bildungsbereich des Tagungs- und Studienzentrums Boldern (oben). Nach über 60 Jahren wird es keine vom Trägerverein Boldern verantwortete Erwachsenenbildung mehr geben. Drei Studienbereichsleiter sollen Anfang April 2012 in die gesamtkirchlichen Dienste der Landeskirche wechseln, die Boldern seit Jahren mit einer halben Million Franken unterstützt.
Die Kirchensynode bestellt eine Kommission «Kirche 2019», die für das 500-Jahr-Jubiläum der Zürcher Reformation nach "Zielen, Inhalten und Formen möglicher Feierlichkeiten" suchen und den Auftrag der Kirche erörtern soll. Zentrale Aufgabe ist die Vorbereitung einer Aussprachesynode für 2013. Mit 48 zu 52 Stimmen lehnt die Synode einen Fonds für Personalentwicklung ab. Weil die Landeskirche 2012 noch keinen Beitrag an die Sanierung der Beamtenversicherungskasse BVK leistet (für die folgenden Jahre sind je 2,67 Mio. Fr. eingesetzt), wird ein Überschuss in dieser Höhe budgetiert. Ein Postulat, das die Einführung des Umweltmanagement-Systems «Grüner Güggel» geprüft haben will, wird trotz Bedenken überwiesen.
LU
In Zürich wie in Luzern spricht Beat Dietschy, Geschäftsführer von Brot für alle, zum 50-Jahr-Jubiläum. Er spannt den Bogen von der Gründung (als Entwicklungsprojekt Brot für Brüder) über die Lancierung der Stiftung Max Havelaar bis zum Einsatz für Fairen Handel und das Recht auf Nahrung sowie dem Kampf gegen Korruption. Florian Fischer, ein 28-jähriger Historiker, wird in den Luzerner Synodalrat gewählt. Die reformierte Kirche führt die Hochschulseelsorge am Campus Luzern weiter, die vor zwei Jahren befristet bewilligt wurde. In den nächsten Jahren sinken die Reserven durch anhaltende Defizite; die Steuern werden nicht erhöht. Mitte 2012 löst sich der ökumenische Verein Beratungsstelle Religiöse Sondergruppen und Sekten, der die Zentralschweizer Sektenberatung trug, auf.
FR
Die Freiburger Reformierten sparen im Budget 2012 bei den Kosten für ein Kommunikations-Konzept und bei den Beiträgen für Mission und Entwicklungszusammenarbeit. Die Stiftungen "Kulturgut Bibel" und "Bibel und Orient" erhalten trotz Streichungsanträgen Beiträge. Die Zusammenarbeit zwischen den Kirchen und der Schule soll weitergeführt werden. Dies unterstreicht die Synode mit einer einstimmig verabschiedeten Resolution zum Religionsunterricht. Im Kindergarten wünscht sie grundsätzlich einen konfessionellen Unterricht.
BS
Die Synode heisst das Budget 2012 mit einem Defizit von knapp 500'000 Franken und die Finanzplanung 2013-16 gut. Der Kirchenrat hat einen "Basler Katechismus" veröffentlicht. Das Büchlein, verfasst von alt Münsterpfarrer Franz Christ, spricht Menschen, die am Glauben interessiert sind, mit Du an und lädt sie zur Begegnung mit Gott ein. "Erst jetzt verstehst du, was dir gefehlt hat".
SH
Die Synodalen stimmen für 2012 höheren Zahlungen der Kirchgemeinden an die kantonale Kasse zu; damit soll Zeit für Strukturreformen gewonnen werden. Ein Vorstoss, die Beiträge an die Entwicklungszusammenarbeit OeME bereits zu kürzen, wird abgelehnt. Nach jahrzehntelanger Unterstützung trägt die Kirche ab 2014 das neue Projekt des Begegnungszentrums Rüdlingen nicht mehr mit. Eine Starthilfe von 500'000 Franken, aufgeteilt auf zehn Jahrestranchen, wird abgelehnt. Die Synode gibt den Weg frei für die Verbindung des Zentrums mit neuen Partnern. Eine Strukturkommission untersucht, wie das Stellenvolumen (Pfarrer und Fachstellen) verringert werden kann. Die Personalkosten machen laut Kirchenratspräsident Frieder Tramer rund 80 Prozent des Aufwands aus. Mit dem Anliegen, an einer ausserordentlichen Synode über Fragen rund um ein Tiefenlager für atomaren Abfall nachzudenken, dringt der Kirchenrat nicht durch.
GR
Der Evangelische Grosse Rat der Landeskirche bejaht die geplante Verfassungsrevision und das Projekt "gemeindebilden.ch", Teil des neuen Bildungskonzepts. 2012 wird eine Internetplattform mit Tools und Werkzeugen geschaffen, mit denen die Gemeinden ihre Bildungsarbeit verbessern können. Zur Verfassungsrevision sind zahlreiche Rückmeldungen von Kirchgemeinden, Kolloquien und von Einzelpersonen eingegangen. Sie werden ausgewertet. Die Bündner Kirche erwägt, die 120 Kirchgemeinden zu 19 Regionalgemeinden zusammenzulegen.
GL
Die Reformierte Landeskirche schafft einen "Runden Tisch" zu Finanzen und Strukturen. Es gehe darum, das Undenkbare zu denken. Das ebenfalls bewilligte Vorprojekt "Familien- und Generationenkirche" steht unter dem Titel: "Wie bekommen wir eine lebendige Kirche"? Kirchenratspräsident Ulrich Knoepfel sagt mit Blick auf das Banner des Landespatrons: "Wir als Kirche müssen uns verändern, müssen uns wie der Heilige Fridolin auf den Weg machen und zu den Leuten gehen". Andrea Trümpy, ehemalige Gemeindepräsidentin von Glarus, Kantonsrichterin und Präsidentin des kantonalen Gewerbeverbandes, wird in den Kirchenrat gewählt.
SZ
In der Synode weist Gottfried Locher, Ratspräsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, auf dessen Bedeutung als nationale und internationale Plattform der Reformierten hin. Der SEK erarbeitet theologische Grundlagen, vertritt die Reformierten auf Bundesebene und pflegt ökumenische Beziehungen. Die aufgrund einer Motion neu gebildete Finanzkommission mahnt, dass auf fette Jahren magere folgen könnten. Sollte der Steuereinzug bei juristischen Personen wegfallen, hätte das für die Kirchgemeinden gravierende Folgen. Der bisherige Planungshorizont von fünf Jahren sei zu erweitern. Die Synodalen akzeptieren höhere Beiträge an den SEK (neuer Beitragsschlüssel) nach kurzer Diskussion. Die vorsorgliche Kündigung des Kirchenboten soll den Weg für eine Entscheidung in Sachen Kirchenzeitung (Offerte von reformiert.) frei machen.
SO
Die Synode wählt Pfarrer Udo Müller in den Synodalrat. Er erhält 17 Stimmen, der Sozialdiakon Vito Calisti 15. In einem Grusswort würdigt Regierungsrat Klaus Fischer ethische Anstösse der Kirchen in der Politik. Auch im sozialen Bereich täten sie mit all ihren Freiwilligen viel. Fischer fordert die Kirchen auf, stärker zu zeigen, was sie leisten.
VD
Die Waadtländer Kirchensynode drückt ihre Besorgnis über Entlassungen aus, welche mehrere Unternehmen am Léman angekündigt haben. Sie werden aufgefordert, die Würde jedes Menschen zu achten. Die Wirtschaft müsse dem Menschen und dem Gemeinwohl dienen. "Ohne eine Ethik, die sich am Wohl aller und besonders der Schwächsten orientiert, geht unsere Gesellschaft das Risiko ein, im Chaos und in der Gewalt zu versinken". Die Kirche trägt im Gebet jene, deren Arbeitsplätze gefährdet sind, und unterstützt Bemühungen, ihnen beizustehen.