«Erst jetzt verstehst du, was dir gefehlt hat»

Die Evangelisch-reformierte Kirche Basel-Stadt spricht in einem neuen Büchlein Menschen, die am Glauben interessiert sind, mit Du an. Ein kleiner Katechismus lädt in neun Schritten zur Begegnung mit Gott ein. Der letzte Schritt ist die «Sehnsucht nach Vollendung». Mit Hilfe des Textes sollen Basler Christinnen und Christen ins Gespräch über den eigenen Glauben kommen. Der Kirchenrat liess sich von der Überzeugung leiten, «dass wir als Kirche es wieder wagen können und sollen, die Inhalte unseres Glaubens gegen aussen verbindlicher kenntlich zu machen».

Am 27. November 2011 übergab Kirchenratspräsident Lukas Kundert den Entwurf zu einem Basler Katechismus den Mitgliedern der Kirche zur Diskussion. Die Erläuterung von Hauptstücken des christlichen Glaubens in Form eines Gesprächs hat alt Münsterpfarrer Franz Christ im Auftrag des Kirchenrats erarbeitet.

Der Kirchenrat schreibt einleitend, die „Annäherung an einen Basler Katechismus“ sei in vielem dem Ansatz Schleiermachers verpflichtet, der anfangs des 19. Jahrhunderts zwischen Theologie und moderner rationalistischer Kultur vermitteln wollte. Es scheine im Zug der laufenden reformierten Debatte ums Bekennen angezeigt, die gegenüber einem Bekenntnis „offenere Form des Katechismus“ zu wählen, um das Gespräch über Glaubensinhalte zu fördern. Der Basler Kirchenrat entspricht mit dem Büchlein dem Anliegen des SEK-Ratspräsidenten Gottfried Locher, „die theologischen Dinge bei einem verständlichen Namen zu nennen“ (Reformierte Presse 1/2012).

Von Gott gesucht und angesprochen
"Brannte nicht unser Herz in uns?" Der Titel des Katechismus-Entwurfs nimmt die Frage von Männern auf, denen Jesus der Auferstandene am Ostertag begegnete. Franz Christ fokussiert eingangs auf den christlichen Glauben; von ‚Religion‘ im Sinne der Ringparabel Lessings will er nicht reden.

Der Text geht aus vom Wirken des Heiligen Geistes, der Menschen so berührt, dass sie einen „Stich durchs Herz“ empfinden. „Angesprochen bin ich von einem ganz Anderen. Diesem ganz Anderen antworten wir…“. Der Katechismus führt vom Gebet („Durchbruch, der dich aus dem Selbstgespräch in ein Reden vor Gott und zu Gott bringt“) zum Unser-Vater-Gebet und zum Wort Gottes, der vielstimmigen Bibel. Ihre Sprache mag fremd klingen; das Büchlein versichert: „Du bist ein Mensch, der von Gott angesprochen ist. Das ist es, was den Menschen menschlich macht, dass er von Gott gesucht und geliebt wird.“

Die Türme des Basler Münsters im Licht des Winterabends.

«Liebesgeschichte höherer Ordnung»
Danach kommt der Katechismus auf den "geradezu aggressiven Aberwillen gegen den Begriff der Sünde" zu sprechen: „Man meint, das Problem los zu sein, wenn man den Begriff eliminiert.“ Doch damit gerate die Gesellschaft in die Sackgasse des erbarmungslosen Moralismus.

Jesus steht in der Mitte des Büchleins: „In Jesus wurde Gott in seiner Liebe selber Mensch, um uns wieder zu dem Gegenüber zu machen, zu dem er uns erschaffen hatte.“ Durch Jesus vermag der Mensch „die ganze Biblische Geschichte als eine Liebesgeschichte höherer Ordnung“ zu verstehen: „In Jesus sind wir alle erwählt und geliebt… Erst jetzt verstehst du, was dir gefehlt hat.“

Miteinander vor Gott und aktiv in der Welt
Der Katechismus schildert in der Folge die Kirche als Gemeinschaft, in der alle Glaubenden „freien Zugang zu Gott haben“, behandelt kurz Taufe und Abendmahl und kommt dann auf das Handeln aus Liebe zu sprechen, das auf die Zehn Gebote antwortet. Schliesslich der Kontrapunkt zum säkularen Bewusstsein: „Die Welt als ganze und du damit sind völlig abhängig von Gott… Wir sind Geschöpfe und nicht die Meister des Universums, ja nicht einmal unsere eigenen Meister.“ Christen hoffen auf das Reich Gottes „und verlieren sich nicht in einem Jenseits, sondern arbeiten und kämpfen, solange und so gut sie können, für die Verbesserung irdischer Zustände“.

Publikation mit Reaktionen geplant
Die Abgeordneten des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes hatten 2009 beschlossen, landesweit über das Bekenntnis der Reformierten nachzudenken und zu diskutieren. Die Basler Kirchensynode befand 2010 dass es die Reformierten wieder wagen könnten, deutlicher vom Glauben zu reden. Kirchenratspräsident Lukas Kundert äusserte im Gottesdienst am 27. November 2011 die Hoffnung, dass der nun erschienene Katechismus-Entwurf „gelesen wird, Fragen auslöst, Zustimmung findet, durchaus auch Widerstand provoziert“. Reaktionen sollen gesammelt und später mit dem Katechismus veröffentlicht werden.