Attraktive Reisen ins Land des Glaubens

Glaubenskurse machen es möglich, Unbekanntes zu entdecken, mit anderen unterwegs zu sein und existentiellen Fragen auf den Grund zu gehen. Kirchgemeinden landauf landab machen positive Erfahrungen mit ihren Angeboten. Warum fördern Schweizer Landeskirchen diesen Bereich der Bildungsarbeit weniger als die deutschen? Die Vielfalt von Kursen nördlich des Rheins kontrastiert mit der Situation in der Deutschschweiz. –- Eine Übersicht.

Der Unterschied zwischen den beiden Kirchenlandschaften frappiert. Die Evangelische Kirche in Deutschland lancierte im September 2011 ihre bundesweite Aktion Erwachsen glauben mit einem Fernsehgottesdienst. Glaubenskurse könnten für viele eine neue Chance sein, „"sich von Gott finden zu lassen"“, sagte der Osnabrücker Regionalbischof Burghard Krause, selbst Autor eines Glaubenskurses, in der Predigt.

Keine Neuauflage für Glauben12
Die deutsche Vielfalt kennen die Schweizer Kirchen nicht. 2005 lancierte die reformierte Zürcher Landeskirche, herausgefordert von Alphalive, den Kurs Glauben12 als "„das reformierte Einmaleins"“. Nun aber "„ist die Luft raus"“, wie in der Mitarbeiterzeitschrift notabene zu lesen ist: Glauben12 wird in keiner Zürcher Kirchgemeinde mehr angeboten. "„Nirgends ist von einer geplanten Neuauflage zu hören".“

Pfarrer, die den Kurs durchführten, haben sich auch von Pfr. Karl Flückiger, dem Gemeindebaubeauftragten der Kirche, nicht für eine Weiterentwicklung motivieren lassen. Der Leiter der Erwachsenenbildung, Pfr. Matthias Krieg, war bei der Zusammenstellung der 48 Fragen und Antworten für 12 Abende federführend. Er vermutet, dass sie nicht intellektuellen Teilnehmenden zu viel abfordern -– bei einer „"auch in der Kirche verbreiteten Tendenz zu einfachem Konsum“".

Beziehungen aufbauen
Allerdings machen Kirchgemeinden zunehmend positive Erfahrungen mit Angeboten, in denen Grundlagen des Glaubens einfach vermittelt werden. In der Schweiz steht der Alphalive-Kurs aus der anglikanischen Gemeinde des Londoner Stadtteils Brompton im Vordergrund. 2012 kann er an etwa 400 Kursorten besucht werden –- ein deutlicher Rückgang gegenüber den 700 Orten im 2005, dem Jahr der ersten landesweiten Plakatkampagne. Unter den Veranstaltern sind 95 reformierte Kirchgemeinden. Mit dem Jugend-Alphalive-Kurs (aktuell an 48 Orten) hat das unter dem Dach von Campus für Christus Schweiz arbeitende Team eine wichtige Zielgruppe angepeilt.

Da und dort gibt es laut Peter Markwalder vom Büro in Zürich fremdsprachige Gruppen, etwa Spanier und Portugiesen; in Wil SG lief Alphalive für Thailänder. „"Migranten sind erstaunlich offen für unsere Kurse".“ Das Material steht in 110 Sprachen zur Verfügung. Derzeit peilt man Senioren und Sportler an. (Aus markenrechtlichen Gründen kann der Kurs in der Schweiz nicht unter dem internationalen Label Alpha-Kurs angeboten werden.)

Evangelisation und Training für Christen
Das Instrument der LiFe-Seminare verwenden bisher 70 Schweizer Gemeinden. Die von Urs Schmid im Christlichen Zentrum Buchegg CZB in Zürich entwickelten Seminare sind für suchende Menschen in der Postmoderne gedacht. Junge treffen sich an fünf Abenden im Starbucks; andere Veranstalter wählen ein Restaurant. Eine Kirchgemeinde nutzt LiFe, um Konfirmanden mit ihren Eltern über den Glauben ins Bild zu setzen. Zum Prozess gehört, dass sich aktive Christen einer Gemeinde jede Woche in einer Kleingruppe treffen. Als Begleitpersonen von Gästen an den fünf Treffen können sie selbst Erfahrungen mit dem auferstandenen Christus machen -– LiFe verschränkt Evangelisation und Jüngerschaftstraining. Im Frühling 2012 laufen Seminare an 26 Orten; das Material ist ins Französische, Englische, Russische und Rumänische übersetzt worden.

Augen auf für die Vielfalt der Angebote
In Deutschland setzten die Fachstellen für Erwachsenenbildung und die Ämter für missionarische Dienste (AMD) der evangelischen Landeskirchen in der Vergangenheit je eigene Akzente. Infolge des EKD-Impulspapiers Kirche der Freiheit regten die AMD eine „"missionarische Bildungsinitiative"“ an. Der Rat der EKD beschloss im Juni 2008 das auf drei Jahre angelegte Projekt Erwachsen glauben -– missionarische Bildungsangebote als Kernaufgabe der Gemeinde. Das Ziel: „"dass Grundkurse des Glaubens in einigen Jahren zu einem selbstverständlichen Bestandteil und Markenzeichen kirchlicher Arbeit in Gemeinde und Region werden"“. Über eine eigene Website werden Gemeinden und Fachkräfte informiert und mit Materialien bedient.

Ein Handbuch, das an alle Kirchgemeinden des Landes versandt worden ist, behandelt theologische Grundlagen, stellt neun bewährte Modelle für unterschiedliche Zielgruppen vor und will die Verantwortlichen vor Ort animieren, selbst Kurse anzubieten. Die Website Kurse zum Glauben.de - Eine Einladung der Evangelischen Kirche erlaubt mit einer Suchfunktion, bundesweit Kursorte in der eigenen Region zu eruieren. So passiert es, dass Städter für die Abende 20 km ins Dorf hinaus fahren...

Für Neugierige, Suchende und Skeptiker
Das neue Magazin 3E (echt.evangelisch.engagiert.) widmet den Glaubenskursen ein Dossier und stellt die bekanntesten unter ihnen in einer Übersicht auf zwei Seiten vor. Das Magazin zitiert Judith Wernicke vom Berliner Projektbüro, das die Werbung für '‚Kurse zum Glauben‘' gestaltet hat: „"Glaubenskurse als zeitlich überschaubare Projekte, die sich speziell auf die Bedürfnisse von Neugierigen, Suchenden und Skeptikern eingestellt haben, sind das Gebot der Stunde“". Da hätten alle die gleichen Voraussetzungen, sagt Wernicke. "„Niemand muss sich seiner Unkenntnis schämen".“ Neben anderen Werbeträgern wurde für Kinos ein Clip entwickelt "„für die, die nicht alles glauben"“.

Kurse als Markenzeichen der Kirche
Die Bayerische Landeskirche hat den Faden aufgenommen. Sie will, wie der AMD-Beauftragte Friedrich Rössner sagt, Glaubenskurse "„zu einem Regelangebot ausbauen"“. Konkret: "„Nicht alle sollen jetzt Glaubenskurse machen, aber sie sollen ohne grossen Aufwand erfahren, wo sie einen Glaubenskurs der evangelischen Kirche in ihrer Nähe finden können".“

Bewährtes aufgefrischt und mit Neuem aufgetischt
In der Württemberger Landeskirche führt laut Schätzung von Maike Sachs vom AMD jede vierte Kirchgemeinde Kurse durch –- entweder mit bildendem Akzent oder als Einladung zum Glauben. Einige Dekanate erstellen für ihre 30-40 Gemeinden einen Flyer, der alle Angebote zusammenfasst. Heidelberg und das nördlich angrenzende Dekanat haben miteinander einen Prospekt erstellt, der für Anfang 2012 neun Glaubenskurse an elf Orten vorstellt. Unter ihnen ist "„Kontakt zu guten Mächten –- dem Glauben auf der Spur"“. An fünf Abenden werden Texte von Dietrich Bonhoeffer gelesen und besprochen, Glaube und Zweifel thematisiert. Im Prospekt findet sich auch "„Musik -– Brücke zum christlichen Glauben"?“

Neben dem Alpha-Kurs steht in Süddeutschland Spur80 -– Entdeckungen im Land des Glaubens im Vordergrund, die Neuauflage des Klassikers "Christ werden –- Christ bleiben"“. Der Kurs, der den Zusammenhang von Lebens- und Glaubensfragen erhellt, soll laut Friedrich Rössner bis Ende Jahr auch online zur Verfügung stehen –- als interaktiver Kurs.

Schub für die Gemeinde
Aus der Region Heilbronn stammt Stufen des Lebens, entwickelt aus dem Gespräch mit Eltern von Konfirmanden. Der Kurs, der heuer ins vierte Jahrzehnt geht, wird auch in der Schweiz angeboten. Wie „"Stufen des Lebens"“ hat auch der ursprünglich aus England stammende Kurs Emmaus -– Auf dem Weg des Glaubens die Entwicklung der Gemeinde als ganze im Blick. Daneben gibt es Theologie-Kurse wie Zwischen Himmel und Erde, erarbeitet in der badischen und württembergischen Landeskirche. Maike Sachs glaubt, dass künftig mehr Gemeinden solche Kurse anbieten –- sogar wenn Stellen abgebaut werden und Pfarrerinnen und Pfarrer weniger Zeit finden, Teams aufzubauen.

Wie sagt es mir mein Kind?
Auch im Norden Deutschlands, in der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, stossen Glaubenskurse auf mehr Interesse. Das gilt laut dem AMD-Leiter Philipp Elhaus besonders für regionale Angebote mit mehreren beteiligten Gemeinden. Über ein Drittel der teilnehmenden Gemeinden habe zum ersten Mal einen Kurs angeboten, sagte Elhaus der Nachrichtenagentur idea. Und: „"nur eine Vielfalt der Ansätze wird den unterschiedlichen Lebenswelten der Menschen gerecht".“

Die Missionarischen Dienste und die Evangelische Erwachsenbildung der grössten deutschen Landeskirche haben gemeinsam den kleinen Glaubenskurs Kaum zu glauben herausgegeben. Oft sind es laut Elhaus gerade Kinder, die Erwachsene anregen, sich neu oder erstmals mit Glaubensthemen auseinanderzusetzen. Dazu wurde das Praxisbuch „"Wenn Anna Papa von Gott erzählt"“ erstellt. Es biete eine praktische Ideensammlung, wie Erwachsene und Kinder gemeinsam den Glauben spielerisch entdecken können.

"Dorthin, wo die Menschen sind"
Die Glaubenskurse, in denen man die Hauptstücke des Christentums auf ihre Substanz abklopfen und kontrovers diskutieren kann, entsprechen der hiesigen pluralistischen, auf Dialog angelegten Kultur. Dass die Kirche bei den Formen noch viel breiter fahren könnte, machte der Vorsitzende der Deutschen Evangelistenkonferenz Pfarrer Johannes Eissler, anlässlich ihrer Jahrestagung Ende 2011 deutlich. Er sprach sich für neue Formate in der Vermittlung des christlichen Glaubens aus. Eine oder zwei Stunden in einer Reihe sitzen zu müssen, sei für viele eine Zumutung. Nötig seien Angebote, bei denen Besucher „"selbst bestimmen können, wie lange sie bleiben“", etwa auf öffentlichen Plätzen, in Kneipen, Kaufhäusern oder U-Bahnen. "„Wir müssen dorthin, wo die Menschen sind".“ Dringend notwendig sei die Vermittlung von Basiswissen, sagte Eissler: „"Viele kennen die fünf Säulen des Islam, aber nicht die zentralen biblischen Inhalte".“ Glaubenskurse sollte es auch in der Volkshochschule geben.

SEK: Glauben und davon reden können
Wo stehen die Schweizer Reformierten? Das Landeskirchen-Forum hat 2007 in einer Resolution die Kirchensynoden aufgefordert, „"in jeder Landeskirche ein Amt für missionarische Gemeindeentwicklung"“ zu schaffen. Seither nahm die Frage des Bekennens auf der Ebene der Kirchenleitungen zunehmend Raum ein.

Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund, der 2005 die Lancierung von Glauben12 begrüsst hatte, legt neuerdings den Akzent auf Bemühungen, die Christen im Glauben sprachfähig zu machen. Dazu will der SEK ein Glaubensbuch erarbeiten. SEK-Ratspräsident Gottfried Locher sagte der Zeitschrift reformiert, der Kirchenbund wolle "„etwas schaffen, das unseren Glauben beschreibt und erklärt und illustriert:... … Empowerment für Glaubenshungrige".“ Es gelte die Inhalte des Glaubens deutlicher zu formulieren, "„als Mittel gegen die Unleserlichkeit"“. Locher ist überzeugt: "„Wenn wir ein lebendiges Evangelium verkündigen und vorleben, dann kommen schon Leute, die zuhören und mitmachen. Jede Kirche kann das tun".“

Deutsche Übersichtsseite Kurse zum Glauben