SEA: 175 Jahre fürs Miteinander der Christen

Der Gründer des Roten Kreuzes Henri Dunant stand auch am Beginn der Evangelischen Allianz in der Schweiz. Mit den Christustagen trat die Bewegung ab 1980 auf die nationale Bühne. Das Jubiläumsfest zum 175. Geburtstag der Schweizerischen Evangelischen Allianz SEA-RES am 7. Mai in Tavannes führte mit einer Zeitreise das reiche Erbe der Allianzbewegung vor Augen. Die Delegierten wählen Beat Ungricht zum neuen Präsidenten der Deutschschweizer Allianz.


1847 versammelten sich in Genf junge Christen aus verschiedenen Gemeinden unter Leitung eines gewissen Henri Dunant zum Beten. Sie waren inspiriert von der Gründung der internationalen Allianzbewegung ein Jahr zuvor in London. 175 Jahre später blickte die Schweizerische Evangelische Allianz am ersten Maisamstag voller Dankbarkeit auf ihr reiches Erbe zurück.

Zum zweisprachig gestalteten Jubiläumsfest fanden sich am Nachmittag über 200 Personen in Tavannes ein. Henri Dunant – dargestellt von Norbert Valley – nahm die Teilnehmenden mit ins 19. Jahrhundert. Der réveil der ersten Jahrzehnte wirkte nach; die Liebe drängte nach aussen. Valley erinnerte daran, wie wichtig es ist, dass Glaubensverkündigung und soziales Engagement einhergehen. «Ja, die Bibel soll im Zentrum stehen, aber sie lebt in der Liebe zum Nächsten, besonders gegenüber den Schwächsten.»

Lauter Lobpreis: Die New Gospel Company aus Thun.

Gebet, Bibel und Mission
Die drei Stichworte Gebet, Bibel und Mission standen über den Schlaglichtern auf die 175-jährige Geschichte der SEA-RES (in der Romandie haben sich Allianz und Freikirchenverband zum Réseau évangélique suisse zusammengeschlossen).

Hansjörg Leutwyler erinnerte an die erste Welt-Allianz-Konferenz in der Schweiz, die 1879 in Basel stattfand. Majorin Sylvette Huguenin, Leiterin der Heilsarmee in der Romandie, schilderte die Tumulte, welche die Organisation mit ihren ersten Evangelisationen ab 1882 provozierte. Es wurden auch junge Frauen verhaftet. Die Verfolgung hielt ein Jahrzehnt an.

Peter Schneeberger, Präsident des Deutschschweizer Freikirchenverbands, skizzierte dessen Gründung 1919. Sie geschah, um in der Spanischen Grippe die Versammlungsfreiheit für freie Gemeinden zu erringen. Laut Schneeberger wirken der Verband und die SEA symbiotisch zusammen.

Heftige Kontroversen: Majorin Huguenin über die Anfänge der Heilsarmee in der Romandie.

Vom bewegenden Kongress für Weltevangelisation 1974, dem die Lausanner Bewegung entsprang, berichtete Ernest Geiser. Er würdigte die leadership von Billy Graham und John Stott. Wegweisend war die Verpflichtung zu Evangelisation und sozialem Handeln. Dank dem Kongress blühte die Evangelisation in der Romandie auf.

Vom Fastentag ins Fussballstadion
Karl Albietz war am Kongress tief betroffen, als in einem globalen Bericht über missionarische Aufbrüche Europa nicht einmal erwähnt wurde. «Wir fuhren mit einem brennenden Herzen von Lausanne nach Hause.»

Heute Beter im Bundeshaus: Ernest Geiser schilderte Lausanne 1974.

Die NZZ habe im folgenden Jahr über die Evangelikalen einen Artikel mit dem Titel «Entschlossen nicht aufzufallen» gebracht, berichtete Albietz. Christen nahmen das Lausanner Motto auf: Der ganzen Schweiz das ganze Evangelium durch die ganze Gemeinde. An einem Gebets- und Fastentag in Greifensee wurde die Idee des Christustags empfangen.

Hanspeter Nüesch schilderte die Folge der Christustage, zu denen die SEA Wesentliches beitrug. Der erste fand 1980 statt; am zweiten 1984 sprach Bundesrat Adolf Ogi; der dritte füllte 1991 das Wankdorf; am vierten 1996 in Lausanne waren die Romands federführend. 2004 standen die Träger von fast 2800 Schweizer Gemeindefahnen im Basler St. Jakob. «Inzwischen haben 17 Nationen nach Schweizer Vorbild solche Christustage durchgeführt», sagte Nüesch und wünschte, zwölf Jahre nach der sechsten Durchführung, der SEA in ihrer Brückenbauerfunktion die Courage, wieder einen nationalen Tag mit Christus in der Mitte zu organisieren.

Hanspeter Nüesch brachte SEA-Generalsekretär Marc Jost ein Christustags-Panel mit.

«Wir verlieren die eigene Jugend»
Michael Girgis (IGW) und Michel Sigrist (HET-PRO) brachten die aktuellen Herausforderungen zur Sprache. «Wir spielen nicht die Rolle, die wir von Gott zugedacht haben, verlieren sogar die eigene Jugend», mahnte Girgis. «Souviens-toi du futur!» rief Sigrist in den Saal des CET in Tavannes.

Michael Mutzner, der nach Jahren beim Réseau heute die Weltweite Evangelische Allianz bei der UNO in Genf vertritt, hob ihren Einsatz für Gerechtigkeit hervor. Ein Bericht über Menschenhandel, der im Jahr 2013 bei den Bundesbehörden eingereicht wurde, gab mit den Anstoss zu einem Nationalen Aktionsplan.

Einheit konkret leben
Das Schlusswort der Feier gehörte dem Generalsekretär der Weltweiten Evangelischen Allianz, Thomas Schirrmacher. Er betonte die zentrale Bedeutung der nationalen Allianzen – neben der Schweiz in 142 weiteren Ländern –, denn auf dieser Ebene werde die Einheit konkret gelebt.

Weltweiter Allianz-Botschafter: Thomas Schirrmacher in Tavannes.

Schirrmacher fasziniert, «dass es uns gelingt, trotz ständiger Neuzugänge am Ende immer die Einheit des Leibes Christi deutlich zu machen», sagte Schirrmacher. Dafür werde aber auch in den Herausforderungen der Zukunft «viel Gebet, viel Dialog und viel Hören aufeinander» nötig sein.

Die Extrameile gegangen: Wilf Gasser
Der Jubiläumsfeier ging am Vormittag die ordentliche Delegiertenversammlung voraus, von SEA und Réseau getrennt abgehalten. Wilf Gasser trat nach 14 Jahren zurück. Die vernetzende, visionäre und weitherzige Persönlichkeit des Arztes aus Bern wurde warm gewürdigt. Ihm sei es immer wieder gelungen, das einheitsstiftende Potenzial zu aktivieren; er habe überall die Chancen und Möglichkeiten gesehen und sei bereit gewesen, die Extrameile zu gehen und sich auch zu exponieren, sagten Weggefährten.

Mister SEA: Wilf Gasser bilanzierte 14 bewegte Jahre.

«Du schwimmst in Gemeinschaft und da blüht vieles auf», sagte Thomas Bucher, Generalsekretär der Europäischen Evangelischen Allianz. Wilf Gasser selbst blickte dankbar auf die Zeit im SEA-Vorstand zurück: «In den Anfängen stellte ich da und dort noch ein Konkurrenzdenken zwischen den Kirchen fest, das heute überwunden ist.»

Beat Ungricht neuer SEA-Präsident
Als Nachfolger Gassers wurde Beat Ungricht aus Elsau gewählt. Bisher SEA-Vorstandsmitglied, bekam der Zürcher Chrischona-Regionalleiter alle Stimmen der Delegierten. Er wolle insbesondere als Vernetzer und in strategischen Fragen der SEA dienen und dabei auf Gott ausgerichtet sein, sagte Ungricht. Statt eines Stabs übergab Wilf Gasser ihm einen Schlüssel mit Matthäus 16,19.

Neu in den Vorstand gewählt wurden die in Bern wohnhafte Theologin Heike Breitenstein, die für das Pontes Institut für Wissenschaft, Kultur und Glaube tätig ist, und der gebürtige Jordanier Sultan Assawahri, der im Aargau als interkultureller Berater unter Migranten arbeitet.

Vernetzen: Beat Ungricht, befragt von Pfarrerin Kati Rechsteiner, die die DV leitete.

Der Jahresbericht 2021 der SEA steht unter dem Titel «Gemeinsam im Regen tanzen statt auf die Sonne warten». Er thematisiert Corona, die interkulturelle Arbeit, Efforts für nachhaltige Entwicklung und das Angebot der Jugendallianz brave beLIFE. Zu den Erfolgen gehört die Aufnahme von SEA-RES-Präsident Jean-Luc Ziehli in den Schweizerischen Rat der Religionen. Die Delegierten konnten einen leicht positiven Rechnungsabschluss 2021 genehmigen, bei einem Ertrag von 1,368 Mio. Franken. Für das laufende Jahr wurde vorsichtig budgetiert.

Interkulturell Verständnis wecken: Sultan Assawahri, neu im SEA-Vorstand.

Die Schweizerische Evangelische Allianz SEA ist eine Bewegung von Christinnen und Christen aus reformierten Landeskirchen, Freikirchen und christlichen Organisationen. Sie umfasst derzeit landesweit 83 Sektionen mit rund 670 Gemeinden und 250 christlichen Werken und ist mit 15 Arbeitsgemeinschaften - unter ihnen das LKF - unterwegs.

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Miteinander besser: Die Teilnehmenden formen das SEA-Logo.