Trauung: «Auf Verurteilungen verzichten»
Die Uneinigkeit in der Frage der kirchlichen Trauung gleichgeschlechtlicher Paare soll die Reformierten im Kanton Bern nicht auseinandertreiben. Die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn und die drei Gemeinschaften EGW, jahu und Vineyard Bern haben in einem Papier dargelegt, wie sie trotz Differenzen an ihrem Miteinander festhalten wollen.
In dem Papier, das Ende April veröffentlicht wurde, halten Landeskirche und Gemeinschaften fest, wie sie mit der Empfehlung des Kirchenbunds (heute Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz EKS) umgehen, gleichgeschlechtlichen Paaren die kirchliche Trauung zu ermöglichen. Der Beschluss vom November 2019 löste harte Debatten aus. Der Synodalrat der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn entschied darauf, die Frage von der Basis ausführlich diskutieren zu lassen, bevor sie der Synode vorgelegt wird.
Laut dem neuen Papier, das reformierterseits der leitende Theologe Prof. Matthias Zeindler mitverfasst hat, bestehen in der Frage zwischen der Landeskirche und den drei Gemeinschaften Evangelisches Gemeinschaftswerk (EGW), jahu und Vineyard Bern deutliche Differenzen. (Diese wurden schon in der 2013 verabschiedeten Erklärung «Unterwegs zum gemeinsamen Zeugnis» angesprochen.)
Die beiden Seiten wollen aufgrund ihres «langen und vertrauensvollen gemeinsamen Unterwegsseins Möglichkeiten der Verständigung» suchen, im Willen «beieinander zu bleiben und, in der Bitte um den Heiligen Geist, ein geschwisterliches Miteinander zu leben». Die Einstellung zu Ehe und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften dürfe nicht trennen.
«Was uns eint»
Das Papier ist wie jenes von 2013 gegliedert: Die Theologen der Landeskirche und die Leiter der drei Gemeinschaften halten zuerst fest, was sie eint; dann werden Differenzen benannt, dann Selbstverpflichtungen. Im ersten, längsten Teil werden – bei Einigkeit über die Bibel als oberste Instanz des Glaubens – gründlich verschiedene Zugänge zur Bibel und ihrer Verbindlichkeit für heute beschrieben.
Einig sind die Autoren darin, «dass Gottes Liebe allen Menschen gilt, unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, politischer Einstellung oder sexueller Orientierung». Jegliche staatliche und gesellschaftliche Diskriminierung homosexuell empfindender Menschen wird abgelehnt.
Respekt und Gewissensfreiheit
Selbstverständlich ist, «dass die Kirche und die Gemeinschaften einen respektvollen Umgang mit homosexuellen Menschen pflegen und diese Menschen einen Platz in der Gemeinschaft der Glaubenden haben». Einigkeit besteht auch zur Gewissensfreiheit von Pfarrerinnen und Pfarrern: «Niemand soll eine Trauung durchführen müssen, wenn dies mit dem eigenen Bibelverständnis oder der eigenen Glaubensüberzeugung nicht vereinbart werden kann.»
Angesichts des Wertewandels in der Gesellschaft soll «das Gespräch über die Stellung homosexueller Liebe in der Kirche und in den Gemeinschaften behutsam und rücksichtsvoll» geführt werden. Die Gemeinschaften räumen ein, dass auch bei ihnen homosexuell empfindende Menschen «einen Ort suchen, wo sie ihren Glauben an Jesus Christus mit anderen zusammen leben und feiern können».
In der Bibel kein Ja
Im zweiten Teil wird knapp festgehalten: «Wir sind uns uneinig in der Frage, wie das biblische Zeugnis im Blick auf eine gleichgeschlechtliche Ehe zu bewerten ist.» Dass homosexuelle Praxis in der Bibel (wenige Stellen) durchwegs negativ bewertet wird, wird von keiner Seite bestritten. Doch werden diese Stellen unterschiedlich auf das biblische «Gesamtzeugnis von der Liebe Gottes» bezogen und zentrale Begriffe («Schöpfungsordnung, Liebe und Sünde») verschieden ausgelegt.
Zudem heisst es im Papier, dass die Landeskirche – obwohl noch kein Synodebeschluss vorliegt – sich «für eine Öffnung der Trauung auch für gleichgeschlechtliche Paare ausspricht». Die Gemeinschaften lehnen dies und auch Segensfeiern ab; sie befürworten indes eine zivilrechtliche Form der Partnerschaft.
«Noch aufmerksamer auf Gottes Wort hören»
Im dritten Teil bekräftigen die beiden Seiten ihren Willen zum weiteren respektvollen Miteinander. Schwierigkeiten wollen sie «als Ansporn zum noch aufmerksameren Hören auf Gottes Wort und zum noch besseren gegenseitigen Verstehen nehmen». Auf Verurteilungen wollen sie verzichten, Polarisierungen vermeiden und in Regionen und Gemeinden Gespräche fördern. Diese sollen «möglichst unter Einbezug von gleichgeschlechtlich empfindenden Menschen» geführt werden.
Das Berner Positionspapier «Kirchliche Trauung für alle? Zum Gespräch zwischen Landeskirche und evangelischen Gemeinschaften»