«Wir müssen wieder lernen, Fragen zu stellen»
Die Corona-Krise sollte den Kirchen dazu dienen, lang
gehegte Illusionen und Fehleinschätzungen hinter sich zu lassen.
Im LKF-Webinar vom 22. März machte Pfr. Dr. Alex Kurz Mut,
das Evangelium selbstbewusst, kreativ und unverkürzt weiterzugeben. Eingangs diagnostizierte
er drei verbreitete Fehlwahrnehmungen.
Die Corona-Zeit lädt uns ein, aufmerksam zu sein und uns neu auf Gott auszurichten. Für Alex Kurz, Pfarrer in Rohrbach bei Huttwil, ist sie die Gelegenheit, aus dem massiven, zuletzt stark beschleunigten Veränderungsprozess der westlichen Gesellschaften Konsequenzen zu ziehen. «Im modernen Betriebssystem des Westens ist nicht mehr Gott, sondern der Mensch die Referenzgrösse.» Davon merkte man laut Alex Kurz lange nicht so viel, weil das Wertesystem noch christlich war.
Kurz hat über Kirche in der Postmoderne eine Doktorarbeit geschrieben. Im Input fürs LKF-Webinar, an dem 30 Personen teilnahmen, diagnostizierte er drei Fehlwahrnehmungen, die in der reformierten Kirche verbreitet sind: «Wir meinen als Kirche, wir seien in der Gesellschaft noch gefragt, wir sind der Überzeugung, wir würden noch gehört, und wir meinen, wir würden noch verstanden.»
Christen werden auf Nebengeleise geführt
In der Postmoderne – Alex Kurz zieht den Begriff «reflexive Moderne» vor – wird auch Kommunikation instrumentalisiert. «Wir merken nicht, wie wir mit Fragen auf Nebengeleise geführt werden – und gestalten ein Bild von Kirche mit, das weitab vom Evangelium ist.»
So kämen bekennende Christen in den Medien regelmässig als politisch reaktionär, als homophob und als Gegner eines aufgeklärten Selbstbewusstseins herüber. «Weil wir antworten, so wie man uns fragt, wird aus uns etwas gemacht – statt dass wir sagen würden, was uns wichtig ist.»
Aufgrund der Beschleunigung und des Drängens auf kurze Aussagen gelingt es Christen weniger, das Evangelium zu sagen. «Man kann nicht alles in einem Satz sagen.» Gibt es in den Medien noch Räume, wo man auf das hört, was Glaubende zu sagen haben?
Verständnis setzt dasselbe Referenzsystem, dieselben Werte voraus. Doch heute, so Alex Kurz, «verstehen wir nicht mehr dasselbe, wenn wir dasselbe Wort brauchen». Grundlegende Begriffe werden unterschiedlich verstanden. «Gott» ist für viele nicht mehr der Gott der Bibel.
Räume schaffen, um gehört zu werden
Im zweiten Teil seines Inputs legte der Berner Theologe die drei Punkte in drei Tipps zur «Kirche auf Standby» um:
1. müssen Christen sich wieder daran gewöhnen, dass sie Antworten verweigern dürfen. Bei Fangfragen habe sich Jesus verweigert und eine Gegenfrage gestellt, hielt Alex Kurz fest. Christen sollten sich nicht feige vorkommen, wenn sie auf solche Fragen keine Antwort gäben, und vielmehr tiefergehende (Gegen-)Fragen stellen.
2. müssen Christen sich Räume schaffen, damit sie wieder gehört werden. «Wenn mir ein Journalist sagt, er müsse das jetzt am Telefon wissen, antworte ich: Entweder nehmen wir uns jetzt eine, zwei Stunden zum Gespräch, und ich bette das, was du wissen willst, ein in ein grösseres Ganzes – oder du kommst während eines Jahres zu mir in den Gottesdienst.» Es gilt, einen Hörraum zu schaffen, den Raum in Anspruch zu nehmen, den die Vermittlung des Evangeliums braucht. «Sonst machen wir aus Gottes Wort ein Lifestyle-Produkt.»
3. sollten Christen sich daran gewöhnen, ein Referenzsystem miteinzubringen, wenn sie Stellung nehmen. Sie sollten bei einer Aussage darauf hinweisen, dass für sie der Mensch nicht letzter Massstab ist. Oder: dass sie Beziehungen im Licht des Gottes sehen, der Beziehungen stiftet.
Die Teilnehmenden stellten nach dem Input Fragen. Alex Kurz hob unter anderem die Qualität der Gegenfragen von Jesus hervor. In ihnen habe er etwas von Gottes Wesen offengelegt. «Von solchen Antworten sind wir weit weg», räumte der Referent ein. Aber der aktuelle Standby-Modus fordere dazu heraus, gute Antworten zu erwägen. «Dann werden wir das Evangelium anders verkündigen.»
Pfr. Dr. Alex Kurz ist Hauptreferent an der LKF-Tagung Mittendrin statt nur dabei am 11. September in Jegenstorf/BE.
Infos zur Tagung hier.
Das LKF plant ein weiteres Webinar zur Jugendarbeit am Montag, 26. Mai, 13.00-14.15 Uhr. Melden Sie sich an bei info@lkf.ch.