Lukas Kundert: Diakonie für den Gemeindeaufbau

Der Basler Kirchenratspräsident Lukas Kundert hat in einem Papier „Kirchenaufbau und Gemeindeaufbau“ Leitgedanken zum sozialdiakonischen Dienst formuliert. Darin fordert er, dass Diakonie in der Kirchgemeinde auf den Gemeindeaufbau ausgerichtet wird. Das Papier von 2007 wurde im Pfarr- und im Diakoniekapitel diskutiert. Auszüge:

„Im Zusammenhang mit Perspektiven 15 hat der Kirchenrat strategische Entscheidungen zu treffen, in welche Richtung er das sozialdiakonische Engagement unserer Kirche weiterentwickeln will. Angesichts des Mittelrückgangs werden wir künftig nicht mehr in der heutigen Breite diakonisch tätig sein können, bzw. wir werden gezwungen sein, unsere Kräfte zu fokussieren. Diakonie im Sinne der Sozialen Arbeit soll auf einzelne kantonalkirchliche Anlaufstellen fokussiert werden (Ausnahme: Riehen), in den Kirchgemeinden soll vor allem Diakonie im Sinne von Innerer Mission (Gemeindeaufbau) betrieben werden. Damit sollen unsere Kräfte gebündelt werden.

a) Diakonie in der Kirchgemeinde soll dem Gemeindeaufbau dienen. Sie ist im Sinne der Inneren Mission auf den Gemeindegottesdienst ausgerichtet und führt Menschen dem Gottesdienst zu mithilfe der spezifischen Instrumente, über welche die Diakonie verfügt (Kinder- und Jugendarbeit, Beratung, Familien- und Altersarbeit – je nach Bedürfnis der Kirchgemeinde entsprechend gewichtet).

b) Diakonie im kantonalkirchlichen Bereich soll der Hilfe an Menschen dienen, die in akuter materieller und seelischer Not sind. In zweiter Linie wird Menschen gedient, die sich in unserem Kanton in die Gesellschaft integrieren wollen, und zwar komplementär/ergänzend zu den vom Staat getragenen Aufgaben…

Die Alte Kirche hat ihre Wirkung in der Öffentlichkeit entfaltet, weil sie ihren Mitgliedern ein starkes und tragfähiges Beziehungsnetz und ein neues Sozialgefüge bot. Innerhalb der Kirche konnten Menschen mit wenig Ehre zu Ehre kommen und Sozialprestige erhalten, die in der römischen Gesellschaftsordnung keine Aufstiegschancen hatten. Entscheidend wichtig war der Umstand, dass sich Christen mit hohem Sozialprestige für solche mit wenig Sozialprestige in der Öffentlichkeit persönlich verwandten. Auch finanziell waren Gemeindeglieder in grösserer Sicherheit, weil im schlimmsten Falle das Netzwerk der Gemeinde verlässlich war und durch die vielfältigen Beziehungen weiter geholfen wurde.

An diese Zeit kann nicht bruchlos angeknüpft werden, es zeigen Erfahrungen in der angelsächsischen Welt allerdings, dass Mitgliederkirchen sich zu sozialen Netzwerken entwickelt haben, die den Mitgliedern neben Glaubenssicherheit und spiritueller Heimat auch soziales Prestige und soziale Sicherheit zu vermitteln vermögen… Mitgliederorientierte Gemeinden werden in unserer Kirche Zukunft haben.

Die Gemeindearbeit hat sich besonders auf ihre Mitglieder zu konzentrieren mit dem Ziel, sie im Gemeindegottesdienst zusammenzuführen. Sozialdiakonische Arbeit dient in den Kirchgemeinden dem Interesse der Gemeinde, den Gottesdienst zu stärken und unterschiedlichste Gruppen in eine volkskirchlich offene und dennoch menschlich und spirituell verbindliche Gemeinschaft zusammenzuführen. Die Diakonie in den Kirchgemeinden wird deshalb an ihrem Erfolg für den Gemeindeaufbau gemessen. Das bedeutet z.B.

a) für Kinder- und Jugendarbeit: Jede Kirchgemeinde stellt eine kirchliche Kinderarbeit vor Ort sicher, die zum Ziel hat, christliche (auch protestantische) Werte zu vermitteln und Kinder und Familien der Gemeinde zuzuführen und sie sozial in die Kirchgemeinde zu vernetzen.
b) Einzelfallhilfe hat ihre ihren Ort, insofern sie dem Ziel verpflichtet ist, Einzelne in die soziale Gemeinschaft der Kirchgemeinde zu integrieren. Auch diese Angebote müssen gottesdienstorientiert sein. Die Gottesdienste haben sich durch die Angebote der Diakonie zu verändern.
c) Ein bewusst nichtkonfessionelles Angebot soll möglich sein, allenfalls aber nur wenn es vorgängig durch den Kirchenrat bewilligt wird.
d) Wer in BS in Not kommt und sich an die Kirche wendet, soll einen Ansprechpartner haben…
e) Die Diakonie der Gemeinde wird getragen nicht nur durch die angestellten Mitarbeitenden, sondern auch durch andere Gemeindeglieder. Sie setzen sich gemäss ihrem Charisma und ihren Möglichkeiten ein für Menschen in Not und bilden so ein Netz, welches notfalls hält und weiterhilft…

Das Dargestellte entspricht gegenüber heutiger Praxis einer Neuausrichtung. In einigen Kirchgemeinden werden im sozialdiakonischen Handeln heute Dienste erbracht, die vor allem Entlastungen staatlicher Stellen bedeuten und nicht dem Gemeindeaufbau im engeren Sinne dienen. Das ZIel muss neu darin bestehen, verbindliche Gemeinden aufzubauen, in denen Christen sich von Christen getragen wissen und Christen im Notfall sicher sein können, dass ihre Geschwister ihnen durch ihr Beziehungsnetz und ihr Wissen weiter helfen…“

 

Refokussierte Diakonie: Lukas Kundert an der LKF-Tagung vom 5. Februar 2011.