Christliche Erziehung: Durch Beziehung wachsen

Daniel Kummer. In der Erziehung ist das familiäre Begleiten und Anleiten von Kindern im Fokus. Es geht dabei aus christlicher Sicht um ein grundsätzliches Gehaltensein aus der Beziehung zu Gott heraus, um das Einüben von Verhaltensweisen und Einstellungen und erst in zweiter Linie um das Vermitteln von Wissen. Hier kommt der Beziehung zu den Eltern ein besonderer Stellenwert zu, da das Bindungsverhalten, das in den ersten beiden Lebensjahren aufgebaut wird, grundlegend für die Beziehungsfähigkeit eines Menschen im späteren Leben ist. Dies haben neuere Studien (so z.B. Grossmann) der Entwicklungsforschung aufzeigen können.

Gemeinsamer Wertekanon?

Wenn Familien in zunehmendem Mass auf institutionelle Unterstützung angewiesen sind, ist eine der brennenden Fragen, inwiefern hier Verlässlichkeit vorhanden ist und die Betreuung auf einen kleinen, konstanten Personenkreis beschränkt werden kann. Ähnlich wichtig ist die Frage, ob und wie die meist staatlichen Institutionen christliche Grundwerte vermitteln. Diesem Aspekt wird bisher kaum Beachtung geschenkt; die Bedeutung eines gemeinsamen Wertekanons für die Identitätsbildung und Erziehung wird massiv unterschätzt und politisch heruntergespielt.

Weil der Staat selbst aber keine Kinder gebären kann, hat er, wenn er sich in der Erziehung mitbeteiligt, immer nur eine unterstützende Funktion. Ein neueres Rechtsgutachten von Thomas Fleiner, Rechtsprofessor in Fribourg, bestätigt, dass staatliche Institutionen wie die Schule auf die Familienwerte Rücksicht nehmen müssen.

Vertrauen aufbauen

Dabei sollte klar bleiben, dass es aus christlicher Sicht nie bloss um Werte oder moralische Einstellungen geht, sondern um den Aufbau des Vertrauens in das menschliche und göttliche Gegenüber. Martin Buber hat dies auf den Punkt gebracht: Religiöse Erziehung ist nicht als eine 'Erziehung zum Glauben' zu sehen, 'wenn Glaube nicht eine blosse Überzeugung und Gewissheit bedeutet, dass Etwas ist, sondern ein Sich-an-Etwas-binden' meint. „Dieses 'Wagnis' kann nur jeder für sich selbst eingehen, mit seiner eigenen Person. Wohl aber kann einer, der in solcher Verbundenheit steht, einem anderen 'das Gesicht des wirklichen Glaubens zeigen' - er zeigt es ihm in sich selbst, in seiner Person und in seinem Leben, indem er in jedem Augenblick, so gut er es vermag, diese Verbundenheit lebt." (B. Ventur)

Jesus sagt: "Wer ein Kind ... in meinem Namen aufnimmt, nimmt mich auf" (Matthäus 18,5). Dem Umgang mit Kindern kommt in den Augen Gottes ein besonderes Gewicht zu. Insofern soll das Verhältnis Erwachsener-Kind nicht als ein Gefälle gesehen werden, wenn dies auch immer wieder in evangelischen und katholischen Erziehungskonzepten der Fall war, sondern es geht hier um eine Verbundenheit, in der beide voneinander profitieren können, wobei der Erwachsene die Hauptverantwortung trägt.

Eltern und Kinder sind in eine Glaubensgemeinschaft miteinander hineingenommen und dieses Vertrauen zu Gott und dem Leben ist Kernstück einer christlichen Erziehung. Weil die personale Dimension aus christlicher Sicht entscheidend ist, gibt es in der Erziehung keine Rezepte, Techniken und Tricks. Menschen werden, wie Pestalozzi gesagt hat, am Menschen zum Menschen und nicht an Maschinen, Medien oder Methoden.

Daniel Kummer: Christliche Pädagogik
Rahel Katzenstein: Säkularismus - die sechste Weltreligion

Literatur:
K.E. Grossmann et.al.: Bindung und menschliche Entwicklung, Klett-Cotta, 2009
T. Fleiner: Die Rechte der Eltern gegenüber der Schule. Aktuelle Juristische Praxis, Nr. 6/93, 666-673
B. Ventur: Martin Bubers pädagogisches Denken und Handeln, 2003