Gottesdienste als Markenzeichen der vitalen Kirche

Stell dir vor, es ist Gottesdienst – –und er beglückt: Wege zu zeitgemässen reformierten Gottesdiensten erörterte das Landeskirchen-Forum mit Vertretern der St. Galler Kirche am Samstag, 30. Oktober 2010, in der Gallusstadt. Zur Sprache kam die Kunst, Neues zu versuchen und gleichzeitig Bewährtes zu pflegen. Taufe und Abendmahl sind kultiviert zu feiern.


Zwischen Bodensee und Léman stehen die Reformierten unter Innovationsdruck. Erneuerung des Gottesdienstes gibt es aber nicht ohne Besinnung auf das Wesen der Kirche. LKF-Präsident Alfred Aeppli, Pfarrer in Jegenstorf BE, verband in ​​ seinem Vortrag an der Tagung die beiden Aspekte. Gottesdienste würden als Kerngeschäft der Kirche wahrgenommen; darum müsse sich etwas ändern. Profilierung bedeutet laut Aeppli, "«Inhalte des christlichen Glaubens in zeitgemässer Form, verständlicher Sprache und ansprechenden Bildern so zu aktualisieren, dass in der innovativen Gestaltung die traditionellen Wurzeln spürbar sind».“

Innovativ agieren und bewahren
Wie können reformierte Gottesdienste innovativ gestaltet werden? Im Zentrum bleibt «„das Wort Gottes der Bibel in der Verkündigung –- und was daraus hervorgeht“», sagte Aeppli (unten rechts im Bild, mit Dölf Weder) mit Verweis auf die Reformatoren. In der Postmoderne haben sich die Gemeinden dem religiösen Markt zu stellen, ohne seiner Logik zu erliegen. Beginnen sollen sie, so Aeppli, bei Jesus Christus selbst, dem «Anfänger und Vollender der Kirche“» (Walter Mostert). Die Dynamik von Christus aufgreifen heisse zu fördern, was dem Glauben und der Gemeinschaft der Glaubenden dient, zuerst im Gemeindekern. Aeppli erläuterte am Beispiel Jegenstorf, wie eine volkskirchliche Gemeinde als ein „«Netzwerk, das über den Kern hinausreicht und ihm eine Strahlkraft ermöglicht»“, wachsen kann.

Vielfalt für «Stilgruppen»“
Werden Gottesdienste von Teams sorgfältig und liturgisch stimmig gestaltet, sprechen sie auch kirchenferne Menschen an. In diversen Formen, den Bedürfnissen der Menschen entsprechend, gelte es eine erkennbare Struktur zu bewahren, sagte Aeppli. Das reformatorisches Erbe des Worts sei aufzunehmen –- mit bewusster, kultivierter Feier von Taufe und Abendmahl.

Der Jegenstorfer Pfarrer sieht in seiner Gemeinde „«Stilgruppen»“. Guten Zuspruch finden die jährlich etwa 16 Gottesdienste mit Band, Kinderteil, Sketch, Anbetungsliedern und Predigt. Daneben bezieht die Kirchgemeinde Jegenstorf in einem guten Dutzend Gottesdiensten Musik- und Gesangsvereine ein. Gottesdienste neuen Formats werden nicht als Zweitgottesdienste angeboten, damit die Gemeinde als ganze sie ernst nimmt.

Für neue Gottesdienste formulierte Alfred Aeppli ein Grundmuster in vier Schritten: «„Bereit für Gott –- berührt vom Wort -– bewegt zur Antwort -– begleitet vom Segen“» sollten die Teilnehmenden sein. Er betonte, dass sich Reformierte „«bei aller Erneuerung nicht von den Wurzeln lösen dürfen»“. Sie haben Gottesdienste vor allem so zu gestalten, „«dass Menschen Gott begegnen können»“.

St. Galler Kirche ist aufgebrochen
In Kanton St. Gallen profitieren die reformierten Kirchgemeinden, die neue Gottesdienste wagen, von einem «allgemein innovativen, ermutigenden Klima»“. Dies sagte Kirchenratspräsident Dölf Weder an der von St. Galler Kirche und LKF gemeinsam organisierten Tagung. „«Wir haben keine Angst vor Vielfalt und vielfältigen theologischen Positionen.“» Die St. Galler Landeskirche hat zur Begleitung neuer Projekte seit 2002 fünf 50%-Arbeitsstellen geschaffen, für Pastorales, populäre Musik, Familie und Kinder, junge Erwachsene sowie Gemeindeaufbau und Mitarbeiterförderung.

Die Krise der reformierten Kirchen spiegle den Umbruch der Gesellschaft, sagte Weder. Aktuell verfolgen 23 Kirchgemeinden im Kanton 17 gottesdienstliche Innovationsprojekte. Die Kirchenleitung dringt auf Qualität. Mangeln Kräfte, sollen sie gebündelt werden. Laut Weder geht es in allem darum, dem Motto der St. Galler Kirche „«nahe bei Gott -– nahe bei den Menschen»“ Gestalt zu geben. «Der schönste Gottesdienst ist nichts wert, wenn er nicht mit den real existierenden Menschen zu tun hat.»“

Wertschätzen und dranbleiben
In Gruppen, sechs Workshops und dem Schlussplenum wurden Rahmenbedingungen und Blockaden diskutiert und Erfahrungen weitergegeben. Wesentlich fürs Gelingen neuer Gottesdienste ist die Betreuung der Freiwilligen. Ein Referent riet, «unsere normalen Gottesdienste zu feiern und allmählich Neues hineinzubringen»“. Im Team generierten Junge die Ideen, die Alten garantierten Konstanz. Ein anderer äusserte, der neue Gottesdienst sei eher mehrheitsfähig als der traditionelle. Alfred Aeppli rief dazu auf, alles zu fördern, was nützt -– «„auch wenn ich es selbst nie machen würde»“.

Vortrag von Alfred Aeppli: Reformierte Gottesdienste innovativ gestalten
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