• Eine Kirche aus Kantonalkirchen?

Entwurf für die «Evangelische Kirche Schweiz»

Aus dem Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund SEK soll die Evangelische Kirche Schweiz EKS werden. In ihr arbeiten die Mitgliedskirchen mehr und besser zusammen. Der Rat des Kirchenbundes hat seinen Entwurf für die neue Verfassung Anfang Juli den kantonalen Kirchenleitungen zugeleitet. Die Konferenz der kantonalen Kirchenpräsidien soll künftig als Organ des Rats Aktivitäten koordinieren und die Kommunikation bündeln.

Der Entwurf hat nach der Präambel 44 Artikel. Die ersten benennen die Grundlagen der geplanten Schweizer Kirche. Art. 2 hält fest: «Die EKS steht auf dem Boden der Reformation und führt diese weiter. Die EKS achtet die altkirchlichen und reformatorischen Bekenntnisse und bringt den christlichen Glauben in zeitgemässen Formulierungen zum Ausdruck.» In den folgenden Artikeln stehen interreligiöse Beziehungspflege und der Einsatz für den religiösen Frieden und Religionsfreiheit neben der Ökumene.

Die Kräfte national bündeln

Gewinnen die Reformierten auf nationaler Ebene Eindeutigkeit? Wohin der Rat – nach langem Tauziehen – will, zeigt er in Artikel 5: «(1) Die EKS fördert die Gemeinschaft unter den Mitgliedskirchen und das Verständnis des gemeinsamen Kirche-Seins in Wort und Tat. (2) Die EKS gewährleistet die zwischenkirchliche Information und Koordination. (3) Die EKS koordiniert ihre Tätigkeiten mit denjenigen der sprachregionalen Organisationen. (4) Die EKS trägt zur innerkirchlichen Verständigung bei, indem sie ihren Mitgliedskirchen Anregungen zum kirchlichen Leben und zur kirchlichen Aufgabenerfüllung gibt.»

Zusammen mit den Mitgliedskirchen soll die EKS auch «theologische und ethische Grundlagenarbeit zu Themen aus Kirche, Gesellschaft, Politik, Kultur und Wirtschaf» leisten. Der Rat des SEK verzichtet nach der Ablehnung früherer Vorschläge darauf, für die EKS ein eigenes evangelisches Kirchenrecht zu postulieren – die EKS soll ein Verein nach ZGB sein. Der Diskriminierung will sie umfassend wehren (inkl. Herkunft, Lebensform).

Synode statt Abgeordnetenversammlung

An die Stelle der Abgeordnetenversammlung wird die Synode treten. Sie soll als oberstes Organ vornehmlich der «Einheit der EKS» dienen, der Rat der «Verbindlichkeit», sein Präsident/seine Präsidentin der «Vernehmbarkeit». Mit diesen Begriffen akzentuiert der Verfassungsentwurf die Aufgaben der drei Glieder der EKS-Leitung (synodal, kollegial, personal).

Für die Zusammensetzung der Synode macht der Entwurf einen Vorschlag, der namentlich die Vertretung der beiden Hauptzahler Zürich und Bern stärkt (14 statt 9 Berner, 11 statt 7 Zürcher) und doch die kleinen und mittleren Kirchen vor Majorisierung schützt: bis 5000 Mitglieder ein Sitz, bis 50‘000 Mitglieder zwei Sitze, je weitere 50‘000 Mitglieder ein Sitz.

Die Synode «beschliesst über die bei der EKS zu bündelnden Aufgaben der Mitgliedskirchen». Die meisten Beschlüsse soll die Synode mit einfachem Mehr fällen können. In welchem Turnus sie zusammentritt, hält der Entwurf nicht fest.

Sieben Handlungsfelder

Die EKS will die Tätigkeiten ihrer Kirchen in Handlungsfeldern zusammenfassen (genannt sind im Entwurf sieben: Ökumene & Aussenbeziehungen, Finanzen & Strukturen, Kommunikation, Diakonie & Werke, Theologie & Ethik, Liturgie, Bildung). Für jedes Handlungsfeld ist eines der sieben Ratsmitglieder zuständig. Sie leiten auch die «strategischen Kommissionen», welche die Synode für jedes Handlungsfeld einsetzen kann.

Zudem wird die seit langem bestehende Konferenz der kantonalen Kirchenpräsidien (KKP) «als Organ dem Rat zugeordnet» und mit Informations-, Koordinations- und Beratungsaufgaben betraut. Die KKP kann dem Rat Anträge unterbreiten (Art. 31).

Die Aufgaben des Präsidenten/der Präsidentin des Rats sind zurückhaltend umschrieben: er/sie «ist um die Förderung der Gemeinschaft zwischen den Mitgliedskirchen besorgt» und kann «Anregungen» fürs kirchliche Leben und die Aufgabenerfüllung formulieren.

Repräsentativ für die Evangelischen?

Die Schaffung einer Evangelischen Kirche Schweiz wird dadurch erschwert, dass die grössten Kirchen in ihrem öffentlichen Auftritt «reformiert» auf Kosten von «evangelisch» betonen. Zudem ergeben mehr und diversere Freikirchen sowie Migrationskirchen heute ein ganz anderes Gesamtbild des Schweizer Protestantismus als 1920, dem Gründungsjahr des Kirchenbunds (seit damals sind die Methodisten und die Eglise évangélique libre de Genève als einzige Freikirchen Mitglieder).

Für die Repräsentativität der EKS wird es langfristig darauf ankommen, welchen Teil des evangelischen Spektrums sie abdeckt. Sind die Reformierten darauf erpicht, die Dynamik der Freikirchen einzubinden? (Nach der geltenden Verfassung von 1950 obliegen dem Kirchenbund «die Wahrung, Stärkung und Ausbreitung des evangelischen Glaubens in der Schweiz» und dazu «die Zusammenfassung aller protestantischen Kräfte» – und er umfasst «die kantonalen Freikirchen sowie andere auf dem Boden der Reformation stehende kirchlich organisierte Glaubensgemeinschaften»!)

Neu: Assoziierung

Weitere evangelische Kirchen und Gemeinschaften in die EKS aufgenommen werden, falls sie die Bedingungen erfüllen (u.a. mindestens 5000 Mitglieder, Art. 14, Verpflichtung «zur Stärkung der kirchlichen Einheit der EKS» und Übernahme ihrer Beschlüsse, Art. 17). Zudem schaffen die Reformierten die Möglichkeit einer Assoziierung: «Die Assoziierung bietet Kirchen und Gemeinschaften, die nicht Mitglied der EKS sind, die Möglichkeit der institutionalisierten Form der Begegnung und des strukturierten Austauschs mit der EKS.»

Die Kirchen und Gemeinschaften, die sich assoziieren wollen, müssen seit zehn Jahren in der Schweiz bestehen, demokratisch verfasst und mindestens regional verbreitet sein. Die Assoziierung steht auch evangelischen Schweizer Kirchen und Gemeinschaften im Ausland offen. Sie gibt dem Vertreter eine beratende Stimme in der Synode (Art. 37).

Vorgehen

Der Rat des Kirchenbunds will seinen Entwurf den kantonalen Kirchenleitungen im Gespräch erläutern. Sie sollen bis Ende Jahr schriftlich zu ihm Stellung nehmen. Im Sommer 2017 sollen die Abgeordneten der Mitgliedskirchen eine erste Lesung vornehmen.

Entwurf der Verfassung «Evangelische Kirche Schweiz» mit Erläuterungen des Rates SEK 
Bericht von 2010: «Für einen Kirchenbund in guter Verfassung»

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