Kompetente Diakonie - lebendige Gemeinde

«Wo Gemeinden aufblühen, ist das diakonische Handeln ein prägendes Element.» Die LKF-Tagung am 6. Mai 2011 im Aarauer Bullingerhaus zeigte auf, wie das Miteinander von Wort und Tat die Gemeindeentwicklung fördert.

Im Hauptreferat stellte Pfarrer Dr. Paul Kleiner, Rektor des TDS Aarau, die biblische Erzählung von der Heilung der zehn Aussätzigen (Lukas 17) ins Zentrum. Anhand des Vorgehens Jesu zeigte er acht Aspekte des diakonischen Handelns auf. Zunächst gelte es, mutig Grenzen zu überschreiten und sich dem Fremden, Unbekannten, Verachteten oder gar dem Feindlichen zuzuwenden. Es brauche Neugier und Mut, Grenzen zu überschreiten, gerade weil es unserer Kultur der Zurückhaltung bisweilen widerspreche. Kleiner rief dazu auf, sich den Menschen in unserer Gesellschaft bewusster zuzuwenden und die eigene Wahrnehmung durch Wissen, Erfahrung, Geduld und Willenskraft zu schärfen.

«Hilfesuchende ermutigen, sich aktiv zu beteiligen»

Die Tatsache, dass Jesus die Aussätzigen zunächst dazu aufrief, zu gehen und sich den Priestern zu zeigen, mache deutlich, dass sie durch ihr aktives Handeln an ihrer eigenen Heilung beteiligt worden seien, betonte der Referent und ergänzte: «Lebendige Gemeinde ist per Definition eine Gemeinschaft, in der sich Menschen beteiligen und nicht lediglich betreut oder bedient werden.»

Paul Kleiner stellte den entscheidenden Satz Jesu: «Steh auf und geh!» bewusst ans Ende seiner Ausführungen, nachdem er zuvor einen Bogen vom Grenzen-Überschreiten über das Erbarmen, das systemische und ganzheitliche Denken sowie das bedingungslose Handeln bis hin zum aktiven Beteiligen der Betroffenen geschlagen hatte. Die prägnante Aufforderung Jesu befreie und führe zu einem aufrechten Gang. Wo Menschen dank diakonischer Unterstützung ihren Wert erführen und selbst wieder gehen lernten, seien sie auch bereit, anderen Menschen Zuwendung zu schenken.

Fürs Handeln christliche Werte setzen

Die Tagung hatte die Aargauer Kirchenratspräsidentin Claudia Bandixen mit einem Grusswort eingeleitet. „Diakonie ist wesentlich mehr als nur handeln“, sagte sie; „sie beginnt damit, dass wir Werte setzen für dieses Handeln. Christliche Werte geben dem Leben eine Weite, die es sonst nicht hat.“ Laut der Kirchenleiterin braucht es auch in der Diakonie „immer wieder den Mut zu neuen Ufern, ohne das Glaubensschiff zu verlassen“.

Durch den zähen Asphalt

Nach einer Pause mit gemütlichen Imbiss erhielten die Teilnehmenden zwei Einblicke in diakonisches Handeln in Kirchgemeinden: Unter dem Motto «Zeit – für Sie!» berichtete Rémy Beusch über die sozialdiakonische Einzelhilfe im Netzwerk Sozialdiakonie Rothrist. Beusch verglich die diakonische Haltung mit einem «Kraut, das sich den Weg durch den zähen Asphalt erkämpfen muss, bevor es blühen kann», und meinte damit das Überwinden von Widerständen und den Mut zur Pionier- und Überzeugungsarbeit.

​​Anhand eindrücklicher Beispiele funktionierender Nachbarschaftshilfe und diakonischer Unterstützung skizzierte er die erfolgreiche Entwicklung gezielter Sozialdiakonie in seiner Kirchgemeinde und stellte klar, dass sich diese nicht als Einzelkämpferin sehe: «Wir setzen auf die Vernetzung bereits bestehender sozialer Angebote in Dorf und Region.» Auf der Website der Kirchgemeinde Rothrist findet sich der Satz: «Diakonie ist nicht nur ein Arbeitszweig der Kirche, sondern eine Lebenshaltung, die das Vorbild Jesu aufnimmt, der als Diener in die Welt gekommen ist.»

Im Heim nicht vergessen

Ursula Käufeler bezieht in der Kirchgemeinde Münsingen zahlreiche Freiwillige in die Gemeindediakonie ein. Sie hat darauf reagiert, dass Senioren mit zunehmendem Alter weniger soziale Kontakte haben. In grossen Gemeinden bestehe die Gefahr, dass sie „in der Anonymität verschwinden“. Die diplomierte Psychiatrieschwester, seit 2009 als Sozialdiakonin tätig, koordiniert den Besuchsdienst „Vergiss-mein-nicht“ für ältere Gemeindeglieder, welche in Heimen ausserhalb der Kirchgemeindegrenzen wohnen. Die acht Frauen und zwei Männer, die Besuche machen, treffen sich vierteljährlich zum Austausch. „Wir nehmen am Leben der Besuchten teil, sie bleiben nicht einfach Namen auf einer Liste.“

Feinfühlig begleitet und untermalt wurde die Tagung durch den bekannten Musiker und Sozialdiakon Markus Dolder. Er brachte das Thema der Tagung in einem Song aus seiner aktuellen CD «I syr Gägewart» in eigenen Worten auf den Punkt: «Mir si syni Gschöpf, verbunde mit Chrischtus Jesus, gmacht für gueti Tate ...»

Vortrag von Paul Kleiner: Acht Aspekte diakonischer Kompetenz
Claudia Bandixen: Lebendige Diakonie braucht Werte
Netzwerk Diakonie Rothrist: Zeit für Menschen in Not
Münsingen: Diakonie gegen das Vergessen

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