In Kleingemeinden den Weg zu Menschen finden

Mission wird in der Volkskirche neu entdeckt. Ermutigende Beispiele aus kleinen Schweizer Kirchgemeinden und Anregungen aus Deutschland standen am 10. September 2011 im Mittelpunkt der Tagung des LKF und der Positiven Synodalfraktion in Bern.

Gegenwind aus der Gesellschaft kann die Volkskirchen weiter bringen, wenn sie sich missionarisch ausrichten und das Dienen in den Mittelpunkt stellen. Dies sagte Pfr. Hans-Hermann Pompe, Leiter des "„Zentrums für Mission in der Region"“ der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), an der Tagung der positiven Synodefraktion der Berner Landeskirche und des Landeskirchen-Forums in Bern. Die EKD misst in ihrem Reformprozess der Mission als Ruf in die Nachfolge Christi grosse Bedeutung zu. Mission erinnert, so Pompe, die Volkskirche an ihren Auftrag; diese bewahrt Mission vor Irrelevanz. (Der ganze Vortrag als PDF)

"Was alle angeht, gehört in die Region"“
Das 2010 lancierte EKD-Zentrum sucht laut Pompe Ortsgemeinde und Region neu abzustimmen. „"Was alle angeht, gehört in die Region".“ Sinnvoll sei eine Subsidiarität, welche Eigenverantwortung der Ortsgemeinde und Unterstützung ausbalanciert. Weiterhin ist auf das Kleinverteilersystem der Ortsgemeinde zu setzen, ihre Nähe und Erreichbarkeit. Doch die Vermittlung des Evangeliums in postmoderne Milieus und Mentalitäten erfordert Bemühungen in der Region. Eine Gemeinde könne durchaus eine Aufgabe für die Region übernehmen. Für Pompe sind im Abendmahl von Christus alle Verheissungen für missionarische Kooperation enthalten: "„Wir werden gemeinsam angenommen, beschenkt, gestärkt und gesandt".“

Möglich ist vieles...
Der Berner Synodalratspräsident Pfr. Andreas Zeller zitierte in seinem Grusswort die Berner Kirchenverfassung von 1946. "„Wir müssen den Auftrag nicht suchen; er ist da".“ Um die Kirchgemeinden in ihren unterschiedlichen Prägungen und Mitteln wahrzunehmen, erstellt die Kirchenleitung derzeit eine Typologie. Die Tagung zeigte mit fünf Workshops auf, was in Schweizer Landgemeinden möglich ist.

Diskussion in der Pause

Alex Kurz und Samuel Reichenbach, Pfarrer in Rohrbach im Emmental, fördern das Gespräch über den Glauben in themenbezogenen Gruppen, die sich ein Jahr lang vierzehntäglich treffen. Mittlerweile gibt es ein Netz von 50-60 Erwachsenen, die miteinander die Bibel gelesen und gebetet haben. Alex Kurz mahnte, nicht mit Wachstum und Planungen das Überleben der Kirche sichern zu wollen, sondern um Wachheit zu ringen, die Begegnung mit Menschen zu suchen und für Unverfügbares offen zu sein. "„Die wesentlichen Weichenstellungen in der Kirchgemeinde waren nie geplant". (Mehr im Text unten)

“...wenn es gewagt wird
Der passionierte Hobby-Kirchenmusiker Adrian Menzi bringt in Kirchberg BE die Gemeinde zum vielfältigen Singen. An der Tagung gab er Kostproben.

Pfr. Peter Keller knüpft in seiner Thurgauer Landgemeinde im Alltag der Gemeindeglieder an, um das Evangelium auf den Punkt zu bringen. Die Jugendarbeiterin Flavia Hüberli hat in Neukirch an der Thur (1000 Gemeindeglieder) das Bewusstsein für Jugendarbeit geweckt. Ihre Teilzeitstelle finanziert ein neu gegründeter Förderverein. Unbedingt müsse die Gemeinde in freiwillige Angebote investieren, sagte Hüberli in Bern, und diese auch koordinieren. „"Wenn Jugendliche die Kirche nur als Pflichtorganisation erleben und in ihr nicht Heimat finden, werden sie nicht mehr kommen".“

Warum nicht Konf-Unterricht mit der Nachbargemeinde? fragte Hans-Hermann Pompe im Schlusspodium. „"Das Undenkbare ist bei Jesus der Normalfall".“ Pfr. Beat Kunz (Sutz BE) rief dazu auf, auch kleine Aufbrüche bei Jugendlichen und Familien wahrzunehmen. "„Gott ist am Wirken."“

Vortrag von Hans-Hermann Pompe: Mission als Chance der Volkskirche

Chancen der Kirche im Dorf: Das Beispiel Fahrwangen-Meisterschwanden

 

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Rohrbach: «Stolpersteine sind die Edelsteine von morgen»

Mission bleibt die Chance der Volkskirche auf dem Land. Die Tagung der Berner Positiven Synodefraktion und des LKF am 10. September 2011 warf Schlaglichter auf ländliche Gemeinden, die sich hoffnungsvoll entwickeln. Unter ihnen ist Rohrbach im Oberaargau.

Auch in kleinen Gemeinden können Christen etwas wagen. „Wenn wir so antreten, gibt es nicht nur einen spannenden Prozess, sondern wir haben einen guten Weg“, sagte Pfr. Alex Kurz an der Berner Tagung. Er und sein Kollege Samuel Reichenbach erzählten aus ihrer Arbeit in der Oberaargauer Gemeinde Rohrbach mit 2800 Mitgliedern in fünf Dörfern.

Die beiden ergänzen sich im Pfarramt; jeder bringt des andern Stärken zur Geltung. Dies ist ein Schlüssel für die bemerkenswerte Entwicklung der Kirchgemeinde. Als Samuel Reichenbach vor 22 Jahren in Rohrbach (zwischen Langenthal und Huttwil) anfing, verzeichnete er einen erfreulichen Gottesdienstbesuch. In den letzten Jahren nimmt eine Kerngemeinde Form an: Über 50 Leute, die schon miteinander die Bibel gelesen und diskutiert und gebetet haben.

Ein Netz wächst über Jahre
In „Navigationsgruppen“ treffen sich Gemeindeglieder an 20 Abenden zu einem von ihnen gewählten Thema. Kurz stellt für zehn Abende biblische Texte und Impulsfragen zusammen; weitere gestaltet er mit Rückmeldungen. Derzeit laufen in Rohrbach fünf Navigationsgruppen mit 42 Teilnehmenden. „Nach acht Jahren hat fast jeder schon mit jedem zu tun gehabt.“ Zu Grundthemen (Die Bibel lesen, An Jesus glauben) gibt es einfache Kurse. 

Frauen und Männer aus dem Dorf singen zweimal jährlich in einem adhoc-Chor mit. Eine Stelle für Kinder- und Jugendarbeit wird durch freiwillige Spenden finanziert. Der dafür gebildete Förderverein besteht aus dem amtierenden Kirchgemeinderat. An die Stelle des pensionierten Organisten ist der Musiker Christof Fankhauser getreten. Nachdem ein Mädchen gestorben war, komponierte er für solche Abdankungsfeiern Musik für einen schweren Abschied. Im Sommer 2011 fand die sechste Chinderwuche mit 70 Kindern statt.

Weichenstellungen von aussen
Die Kirchgemeinde denkt ans Dorf: 2009 wurde auf der Pfrundwiese ein Spielplatz fürs Dorf eingerichtet. Samuel Reichenbach: „Die wesentlichen Weichenstellungen waren nie geplant. Sie wurden uns von aussen zugetragen.“ Die Pfarrer achten darauf, dass der Sonntagsgottesdienst im Zentrum des Gemeindelebens bleibt.

Im Kontrast zu modernen Gemeindewachstumsstrategien sieht Kurz alles Wesentliche als unverfügbar an. Vor allem freuen sich er und Reichenbach darüber, dass die Bibel in ihrem Dorf zu reden gibt. Gegen die Tendenz, einem Text alle Zähne zu ziehen, zielt Kurz darauf, Stolpersteine (Unverständliches und Kontroverses) zu formulieren und fürs weitere Gespräch festzuhalten. Denn: „Stolpersteine sind die Edelsteine von morgen.“